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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Klaren, was sie von der Idee
halten sollte, auch wenn sie ihre Zweifel für sich behielt.
    »Außerdem
ist es endlich an der Zeit, dass wir unserer Ahnen in einem passenden Umfeld gedenken.
Und der Grund und Boden, auf dem wir den Tempel gebaut haben, gehört uns.«
    Bruni blickte
in die blaugrüne Tiefe des Teichs, in dem Koi-Karpfen schwammen, dazwischen auffällig
unruhig auch ein gewöhnlicher Karpfen.
    »Meine Mutter
hat ihn freigelassen. Eine Geste der Barmherzigkeit«, erklärte Wang San und fügte
hinzu: »Es bringt Glück, wenn nicht alle Fische heute Mittag in der Pfanne landen.«
    Wang San
zog sie in das Innere des Tempels, wo Lao Wang und Zhang Liu in einer gusseisernen
Schale Papiergeld verbrannten, das aussah, als sei es dem Brettspiel Monopoly entnommen. Während sie sich vorsichtig im Innern umblickte, mit den Augen die
Zeremonie verfolgend, erklärte Wang San mit leiser Stimme: »Papiergeld verbrennen
wir, um die Geister der Verstorbenen zu besänftigen. Im übertragenen Sinn dient
es dazu, ihren Wohlstand im Jenseits zu mehren und dadurch ihr Wohlwollen auf uns
zu lenken. Wenn sie nichts bekommen, werden sie böse und wollen uns schaden.«
    »Aha«, flüsterte
Bruni leise und murmelte: »Ein schöner Aberglaube.« Schade, dass sie nicht an Götter
und Geister glaubte. Ihre esoterische Phase hatte sie längst hinter sich.
    Lao Wang
und seine Frau waren völlig in ihre Tätigkeit versunken.
    »Nenne es
Aberglaube oder Volksreligion, ganz wie du willst. Die alten Leute machen das noch
häufig, bei den Jüngeren kommt es seltener vor. Ich verbrenne jedenfalls kein Papiergeld
mehr.« Wang San sah sie an und lächelte, dann führte er sie wieder nach draußen,
hinaus an die frische Luft. Der Duft des Weihrauchs hatte ihre Sinne benebelt.
    »Erst hat
uns die Verbandsgemeinde untersagt, über unserem Restaurant chinesische Schriftzeichen
anzubringen, mit der Begründung, es untergrabe die Authentizität eines typischen
Ahrstädtchens, und jetzt hat sie uns drastisch die Pacht für die Parkplätze erhöht.
Die Plätze brauchen wir aber für die Reisebusse, und das wissen sie ganz genau.
Wenn wir keine Stellflächen mehr haben, fahren die Busse woanders hin, dann fehlen
uns Gäste und irgendwann sind wir pleite. So funktioniert ihre Rechnung.« Seine
Stimme klang bitter.
    »Das hört
sich wirklich nach Schikane an.« Bruni musterte ihn aufmerksam.
    »Es ist Schikane, obwohl sie ja auf der anderen Seite gut an uns verdienen. Wir zahlen enorm
viel Gewerbesteuer.«
    »Aber ich
glaube nicht, dass ihr mit dem Bau des Tempels durchkommt. Und ich habe Zweifel
daran, dass es der richtige Weg zur Durchsetzung eurer Interessen ist.«
    »Welche
Mittel hätten wir denn sonst?«
    Bruni überlegte,
aber ihr fiel keine passende Antwort ein.
    Sie setzten
sich schweigend auf die Randsteine des Fischteichs und blinzelten in die Sonne.
Nach einer Weile sagte Wang San: »Was wir wollen, ist Akzeptanz. Die Akzeptanz unserer
Weltanschauung, die Akzeptanz unserer Religion und unserer Kultur, und die Akzeptanz
unserer Familie. Die Einwohner hier sind unsere Nachbarn, und wir könnten mehr sein
als das. Wir könnten Freunde sein. Der Tempelbau war einen Versuch wert. Der erste
Journalist hat übrigens schon angerufen.«
    Lao Wang
und seine Frau Zhang Liu traten aus dem Schatten des Tempels, von wo aus sie den
letzten Teil des Gesprächs verfolgt hatten. Lao Wang nickte Bruni freundlich zu
und blickte dann hinüber zu den chinesischen Schriftzeichen, die er erst vor wenigen
Tagen gemalt hatte, und die nun in schwarzer, wetterfester Farbe den Stein zierten,
der in unmittelbarer Nähe des Teichs stand. Mit einem Ausdruck im Gesicht, der Bruni
aufmerken ließ, fragte er lächelnd: »Wissen Sie, was diese Zeichen bedeuten?«
    Bruni schüttelte
den Kopf und Lao Wang sagte bedächtig: »Es gibt Weisheiten, die gelten überall auf
der Welt, und die hier soll uns Mut machen. Wollen Sie sie hören?«
    Bruni nickte,
und Lao Wang sagte: » Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung! «

21
     
    »Schön, dich zu sehen!«, begrüßte
Caro Ben Stur, der seine Sporttasche auf der niedrigen Grundstücksmauer abgesetzt
hatte und unschlüssig zu ihr hersah. Er hatte beobachtet, wie der Tagesrhythmus
der vier Frauen verlief und gehofft, sie heute draußen auf der Terrasse anzutreffen.
Es war Donnerstag, da hatte sie meist Küchendienst und saß am späten Nachmittag
draußen und putzte Obst und Gemüse. Heute hatte sie eine große Schale

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