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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Weile zu kauen hatten. Doch wusste er, das Bild der Leiche würde er nie vergessen. Aber heute lag es in der Ferne, und er sah es durch einen Nebel, als wäre es unwirklich. »Natürlich ist es mir nicht egal. Aber zurzeit bin ich vor allem stinksauer auf den, der mir die Leiche in den Kofferraum gepackt hat. Ich könnte ihn umbringen.«
    Sie lächelte. »Ein Toter reicht«, sagte sie.
    Er lachte zurück.
    »Bist du auch noch stinksauer auf mich?«
    Er schaute auf ihren Bauch. »Oh, die Kollegin denkt assoziativ.«
    Ihr Gesicht verschattete sich einen Augenblick. »Nicht so, bitte nicht so«, sagte sie.
    Es klopfte an der Tür. Stachelmann schaute hin und wartete, dass sie sich öffnete. Nach einer Weile rief er: »Herein!«
    Es traten ein Mann und eine Frau ein. Stachelmann kannte das Gesicht der Frau. Sie sagte: »Guten Tag, Herr Dr. Stachelmann, wir kennen uns, glaube ich.« Stimmt, sie war Ossis Kollegin gewesen, jedenfalls damals, beim Holler-Fall. Er erinnerte sich nicht an ihren Namen.
    Anne stand auf und ging.
    »Sie sind …?«, fragte die Frau.
    »Anne Derling.«
    »Ach ja, mit Ihnen haben wir schon gesprochen.« Als Anne gegangen war, sagte sie: »Sie haben meinen Namen bestimmt vergessen. Oberkommissarin Hebel, das ist mein Kollege, Kommissar Kamm.«
    Stachelmann gefiel die Frau. Sie hatte eine ruhige Stimme.
    »Wir leisten Amtshilfe. Die Kollegen in Lübeck haben Sie bereits vernommen. Wir brauchen von Ihnen eigentlich nur eine Speichelprobe. Es sei denn, Ihnen wäre noch etwas eingefallen.«
    Stachelmann schüttelte den Kopf.
    »Na gut.«
    Der Mann hielt ihm ein Wattestäbchen hin, Stachelmann steckte es in den Mund und zog es nass wieder heraus. Der Kommissar steckte es in ein Röhrchen, verschloss es, beschriftete es und stellte es in eine gelochte Halterung in einem kleinen Koffer.
    »Das war es schon«, sagte die Oberkommissarin. Sie lächelte ihn freundlich an, dann verließen die beiden das Zimmer. Als sie draußen waren, ärgerte sich Stachelmann. Warum hatte er nicht gefragt nach dem Grund für die Speichelprobe?
    Dann dachte er an Anne. Sie waren sich so nah gewesen damals, und es war vielleicht seine Schuld, dass nicht mehr daraus wurde. Er hatte den letzten Schritt nicht getan. Warum hatte sie es nicht gewagt? Mit einer Handbewegung wischte er den Vorwurf weg.
    Es klopfte wieder, und Anne kam zurück. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl.
    »Was sie damit wohl bezwecken?«, fragte er sie.
    »Warum hast du sie nicht gefragt?«
    Er ärgerte sich noch mehr. »Wahrscheinlich hätten sie es nicht verraten. Sie haben wohl DNS-Spuren gefunden und gleichen sie ab.«
    »Willst du gar nicht wissen, von wem das ist?« Sie deutete auf ihren Bauch, der sich ihm entgegenwölbte.
    Warum fragte sie das? Warum redete sie mit ihm, nachdem sie fast zwei Jahre nur Belangloses gesagt hatte? Guten Tag,
    auf Wiedersehen, schönes Wochenende. War es die Erschütterung, die der Mord an einem Kollegen bewirkte?
    »Also nicht«, sagte sie. »Ich sag’s dir trotzdem. Der Typ hieß Herrmann, genauer gesagt, er heißt so. Ich habe ihn getroffen, als ich niedergeschlagen war, und er war gut zu mir.« Sie schaute ihn traurig an. »Das war auf einer Fete in Eppendorf, bei Renate, du warst auch eingeladen, bist aber nicht gekommen. Wie so oft. Herrmann war ein Bekannter von Renate, genauer gesagt, er ist es wohl noch. Ich habe mich ein paarmal mit ihm getroffen, und dann ist es halt passiert.«
    Stachelmann überlegte, ob es eine Rechtfertigung war.
    »Zuerst wollte ich es abtreiben lassen, aber dann habe ich es mir anders überlegt. Ich hatte mir früher oft gewünscht, Kinder zu haben. Wenn man arbeitet, passt das natürlich nie so richtig, also warum abtreiben? Ich weiß nicht, was es wird, ob Mädchen oder Junge, es ist mir egal.«
    Stachelmann drückte sich an die Lehne. Er fühlte sich bedrängt. Was sollte er sagen? Dass er gekränkt war und nicht wusste, ob er es je überwinden konnte? Sie bekam ein Kind von einem anderen, das war nicht zu ändern.
    »Wenn der Tod ins Haus kommt, sieht man doch, dass es Wichtigeres gibt als die Dummheiten, die man begangen hat«, sagte Anne.
    Er fragte sich, ob sie Bohming bei seiner Trauerrede geholfen hatte.
    »Du sagst ja gar nichts.«
    »Tut mir Leid.«
    »Dich überrascht es, du fühlst dich überrumpelt. Du bist gekränkt.«
    Er schaute ihr in die Augen. Wie hatte er diese Augen geliebt. Stachelmann erinnerte sich, wie sie ihn angestrahlt hatten. Er war traurig, ein Kloß

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