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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ihm und schaute ebenfalls hinaus. »Sieht gespenstisch aus«, sagte sie.
    »Passt ja«, sagte Stachelmann und erschrak.
    Ein Grinsen flog über Annes Gesicht. »Darüber macht man keine Witzchen, Herr Doktor Stachelmann.«
    Sie drehten sich um und schauten, wer gekommen war. Sie lehnte dicht neben ihm am Fensterbrett, berührte ihn fast. Er roch ihr Parfüm. Er erinnerte sich daran, wie sie bei ihm zu Hause gefrühstückt hatte. Könnte man doch alles zurückdrehen, aber was geschehen war, war geschehen. Die Erinnerung ließ ihn nicht los, schien manchmal zu versinken, nur um ihn bald wieder zu packen.
    Bohming erschien als Letzter, er sah bedrückt aus und wusste nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Es schien, als wedelte er mit den Zetteln, auf die er Stichworte seiner Ansprache geschrieben hatte. Er stellte sich neben seinen Schreibtisch und räusperte sich. Die letzten Gespräche verstummten, es war nicht laut gewesen. Man habe den Verlust eines großartigen Kollegen zu betrauern, dem es nicht vergönnt gewesen sei, seine besonderen Qualitäten auch am Historischen Seminar der Universität Hamburg zu zeigen.
    Beim zweiten Satz hörte Stachelmann schon nicht mehr richtig zu. Er überlegte sich, was Bohming über ihn sagen würde. Wir haben den Verlust eines großartigen Kollegen zu betrauern, der seine besonderen Qualitäten dem Historischen Seminar der Universität Hamburg zur Verfügung stellte. Vielleicht. Oder: Wir haben den Verlust eines großartigen Kollegen zu betrauern, der Forschung und Lehre am Historischen Seminar der Universität Hamburg vorangebracht hat. Wahr aber wäre: Wir haben den Verlust eines kauzigen Kollegen zu betrauern, der nicht zu Potte kam mit seinen Aufgaben, auch wenn wir ihm die Fähigkeit, sie zu lösen, nicht grundsätzlich absprechen wollen.
    Er schielte zur Seite und sah, dass Anne ihn anschaute. Dann blickte sie zu Bohming. Ihre Ellbogen berührten sich. Er bewegte sich nicht.
    Nichts tat sich, als Bohming fertig war. Dann merkte Bohming, dass er vergessen hatte, eine Schweigeminute anzuregen. »Liebe Kolleginnen und Kollegen, gedenken wir eines Historikers, der seinen Weg nicht vollenden konnte.« Sie schwiegen. Dann dankte Bohming den Anwesenden, dass sie gekommen waren. Die Mitarbeiter verließen den Raum, immer noch sagte niemand ein Wort. Bohming schaute auf seinen Schreibtisch, als suche er etwas. Dann näherte er sich Stachelmann und Anne.
    »Sie denken an die Firmengeschichte? Haben Sie sich schon verständigt, wie Ihre Zusammenarbeit aussehen soll?«
    »Ja«, sagte Anne.
    »Dann ist ja gut. Gleich im neuen Jahr legen Sie los.« Er drehte sich um und verließ das Zimmer.
    »Gut geschwindelt«, sagte Stachelmann.
    »Das nennt man antizipieren, Herr Kollege, Sie sollten das wissen.«
    So hatten sie früher miteinander gesprochen.
    »Dann wollen wir mal«, sagte Stachelmann, ohne zu wissen, was er wollte.
    »Ja«, sagte Anne. Es klang unschlüssig.
    Stachelmann schaute auf die Uhr. »Wenn ich mich beeile, kriege ich den Zug um 18 Uhr 33 noch.« Er sagte es, weil er
    glaubte, etwas sagen zu müssen.
    »Dann beeil dich«, sagte sie.
    Stachelmann bereute es. Warum hatte er nicht vorgeschlagen, dass sie gemeinsam essen gehen könnten? Oder wenigstens ein Glas trinken?
    Er hatte sich selbst unter Druck gesetzt. »Dann geh ich jetzt mal.«
    »Ja, schönen Abend. Bis morgen.«
    Auf dem Weg zum Bahnhof schimpfte er leise mit sich. Aber er spürte doch Erleichterung, dass er nicht mehr so zornig war, weil Anne ein Kind kriegte. Im Dammtorbahnhof hetzte er die Treppe hoch zum Bahnsteig und sprang in die S-Bahn, als die Türen sich schlossen. Er blieb an der Tür stehen, die Knie begannen zu schmerzen. Er schaute sich um, entdeckte keinen freien Sitz. Die Leute saßen und standen müde im Wagen. Die Luft war stickig, er spürte den Hunger, ihm wurde übel. Ihn quälten die Minuten, bis der Zug endlich im Hauptbahnhof hielt. Er schaute auf die Uhr und sah, er hatte fast zehn Minuten Zeit. Die Rolltreppe war verstopft, er rannte die Treppe zur Balustrade hoch. Die Schlange vor dem Fischrestaurant war am kürzesten, er stellte sich hinter ein Pärchen, das zwei riesige schwarze Koffer neben sich stehen hatte. Sie kamen aus Asien. Es dauerte, bis die Frau dem Mann hinterm Tresen erklärt hatte, was sie bestellen wollte. Stachelmann wurde nervös, er wollte seinen Zug nicht verpassen, der nächste fuhr eine Stunde später. Ihm kam es vor, als würde der Mann hinterm Tresen

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