Mit deinen Augen
Zimmers sitzen Stofftiere auf der dunkelblauen Bettdecke, es gibt keine Poster oder Bilder oder sonst irgendetwas, was ihre Leidenschaften, ihren Beliebtheitsgrad oder das Einkommen ihrer Eltern illustrieren würde. Man spürt nur ihre Einsamkeit, während Alexandras Seite sie selbst und ihre Identität feiert. Hochglanzfotos und Poster von jungen Männern, die auf Motorrädern über Erdhügel fliegen. Dazu CDs, Make-up, Kleider, Schuhe und mehr Handtaschen, als ein Mädchen je mit sich herumtragen kann.
Zu dritt begeben wir uns zum Fußballplatz. Ich habe keine Ahnung, was uns dort erwartet, und ich glaube, die Hausmutter und ich, wir haben beide Angst. Sie hat einen Daunenmantel über ihr Nachthemd gezogen, und ich reibe mir die Arme, um ein wenig Wärme zu erzeugen. Scottie hält im Dunkeln meine Hand. Der Boden ist löcherig, und Scottie stolpert immer wieder. Das Gras ist feucht. Meine Hosenbeine werden unten nass. Ich schaue auf Scotties nackte Beine. Sie atmet hörbar aus, weil die Luft so kalt ist und weil sie fasziniert ist vom Anblick ihres Atems.
Schließlich entdecke ich in der Ferne zwei Mädchen, die etwas in den Händen halten, was nach Golfschläger aussieht. Dann sehe ich einen weißen Ball quer über den Himmel sausen, gefolgt von Jubelgeschrei. Meine Tochter spielt mit ihrer Freundin Golf. Auf einem Fußballplatz, im Mondlicht. Ich sehne mich auf einmal nach einem Leben, das ich nie gehabt habe: Internat, Mädchenfreundschaften.
»Kinder!«, ruft die Hausmutter.
Die beiden drehen sich zu uns um.
»Alex!«, rufe ich. Die Haare fallen ihr inzwischen über die Schultern, und sogar von hier kann ich sehen, wie schön sie ist, wie wunderbar harmonisch sich ihre Gesichtszüge ergänzen.
»Dad?«
»Alex!«, schreit Scottie. »Ich bin’s.«
Alex’ Freundin rennt davon, kommt aber nicht sehr weit, weil sie samt Golfschläger hinfällt. Ich gehe zu ihr, um zu sehen, ob ihr etwas passiert ist. Sie liegt im Dreck, bäuchlings ausgestreckt, als wollte sie ein Sonnenbad nehmen. Ich lege ihr die Hand auf den Rücken. Sie dreht sich um, mit offenem Mund und geschlossenen Augen. Da erst merke ich, dass sie lacht, und mir wird klar, dass sie sturzbetrunken ist. Als sie schließlich doch etwas über die Lippen bringt, ruft sie: »Macht das erst mal nach, ihr Versager!«
Alexandra ist jetzt bei mir, lehnt sich an mich und krümmt sich vor Lachen. »Was tust du hier, Dad?«
»Mrs. Murphy«, lallt das andere Mädchen. »Wollen Sie’ne Runde mit uns spielen? Achtzehn Löcher?«
Es geht wieder los: Eine Sekunde lang können die Mädchen sich das Gekicher verkneifen, aber dann gibt es kein Halten mehr. Alexandra fällt auf die Knie. »Oh, Gott!«, japst sie. »Oh, mein Gott.«
Scottie fängt auch an zu lachen und ahmt begeistert das besoffene Gekicher ihrer großen Schwester nach.
»Achtzehn Löcher«, ächzt Alex’ Freundin zwischen den Lachkrämpfen. »Acht. Zehn. Löcher.«
»Kinder!«, schimpft Mrs. Murphy. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, damit das hier aufhört und wir zum Flughafen fahren können.Wir müssen den letzten Flug erwischen, denn ich muss morgen in Oahu sein und alle unsere Freunde versammeln und ihnen sagen, dass es aus ist. Joanie, unsere Kämpferin, hat verloren.
Scottie schafft es, die beiden Mädchen zu beruhigen. »Alex«, sagt sie, »Mom kommt nach Hause.«
Alex sieht mich fragend an. Ich blicke nach oben. Was für eine herrliche Nacht. Ohne die Lichter von Oahu beherrschen die Sterne den Himmel.
»Nein«, sage ich, »das stimmt nicht.«
»Was dann? Geht es ihr besser oder was?« Alex stützt sich auf den Golfschläger und grinst.
»Ich nehme dich mit nach Hause,« sage ich. »Es geht ihr nicht gut.«
»Mom kann mich mal«, murmelt Alex. Sie macht ein paar entschlossene Schritte, dann schleudert sie ihren Golfschläger in die Nacht. Wir schauen ihm nach, aber keiner sieht, wo er landet.
Als wir nach Hause kommen, geht Scottie von der Garage direkt in ihr Zimmer, ohne ein Wort zu sagen. Ich trage Alex. Sie ist so schwer, ihre Arme hängen schlaff herunter. Nur mit Mühe schaffe ich es, sie bis in ihr Zimmer zu schleppen. Ich könnte sie auch auf dem Sofa im Wohnzimmer ablegen, aber ich will, dass sie in ihrem eigenen Bett schläft, das früher mein Bett war, und ein Teil von mir genießt es auch, sie zu tragen, weil sie sich an meine Brust schmiegt wie ein Baby.
Ich streife ihr die Schuhe ab und decke sie zu. Sie sieht aus wie Joanie. Eine Weile schaue ich ihr beim
Weitere Kostenlose Bücher