Mit deinen Augen
dass die Wissenschaftler mich beobachten und nicht die stummen Planeten.
Ich biege in die Schotterstraße ein und fahre am unteren Stall und an den Schulgebäuden vorbei und dann hoch zu den Wohnheimen.
Ich freue mich darauf, meine Tochter zu sehen. Und bin ein bisschen nervös. Letzte Woche habe ich mit ihr geredet, und sie klang komisch. Als ich sie gefragt habe, was sie bedrückt, entgegnete sie: »Der Preis von Kokain.«
Ich hakte nach: »Jetzt mal im Ernst - sonst noch was?«
»Gibt es sonst noch was?«
Sie behauptete, sie habe einen Witz gemacht. Es war ein ziemlich schlechter Witz, wenn man sich’s recht überlegt.
Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Anscheinend habe ich etwas an mir, was die Leute dazu bringt, sich selbst zu zerstören. Joanie und ihr Schnellboot, die Motorräder, der Alkohol. Scottie und ihr Seeigel, Alexandra und die Drogen, ihr Modeljob. Alex hat gesagt, sie habe mit den Drogen angefangen, um ihre Mutter zu schockieren, aber wahrscheinlich wollte sie herausfinden, wie es sich anfühlt, ihre Mutter zu sein. Sie scheint ihre Mutter zu lieben und gleichzeitig zu hassen, mit derselben Intensität, aber diese Probleme sind jetzt mit Sicherheit aus der Welt, oder sie werden es bald sein. Man kann nicht wütend sein auf jemanden, der im Sterben liegt.
Ich denke an das Buzz’s, wo die Geschäftsführerin zu mir gesagt hat, Joanie bringe immer Leben in die Bude. Ich bin mir sicher, sie hängt ein Bild von Joanie auf, falls sie stirbt - wenn sie stirbt. So ist das nämlich im Buzz’s: Überall an den Wänden hängen Fotos von Vertretern der Lokalprominenz und von verstorbenen Stammgästen. Es macht mich traurig, dass Joanie sterben muss, damit ihr Bild aufgehängt wird. Und damit ich wirklich alles an ihr liebe und damit Alex ihr alles, was sie falsch gemacht hat, verzeiht.
Ich fahre langsam, weil die Straße so viele Schlaglöcher und Bodenwellen hat. Scottie schläft immer noch. Ich finde es gut, dass die Schule die Straße nicht teeren lässt.
Ich fahre auf den Parkplatz und stelle den Motor ab. Scottie öffnet die Augen.
»Wir sind da«, sage ich.
13
Es ist zehn Uhr abends. Die Hausmutter mustert mich mit einem Blick, als wäre ich der verantwortungsloseste Mensch auf der Welt. Es ist kalt, Scottie hat nur Shorts an, und an den Beinen hat sie lauter rote Striemen. Ich bin in einem Wohnheim und will meine Tochter abholen, was ich doch während der offiziellen Zeiten hätte tun können.
Wir stehen in der Tür zum Zimmer der Hausmutter, und im Hintergrund läuft der Fernseher. Die Hausmutter trägt ein scheußliches Flanellnachthemd, und wenn ich es richtig sehe, schaut sie sich gerade die Casting-Show American Idol an . Ich schäme mich für uns alle.
Sie führt uns ins Treppenhaus, und Scottie rennt voraus, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Ich höre den schweren Atem der Hausmutter und verlangsame meinen Schritt.
Es ist beruhigend zu wissen, dass alle schlafen und dass es nicht wie in einem College-Wohnheim zugeht, wo um zehn die Party erst richtig losgeht. Ich sage der Frau, dass ich beeindruckt bin. Ich weiß zwar, dass wir hier in einer der besten Privatschulen Hawaiis sind, aber trotzdem, es ist schön, dass die Kinder sich gut benehmen, wenn sie nicht zu Hause sind.
»Wir bemühen uns,Verhältnisse wie im Elternhaus herzustellen«, sagt sie. »Die meisten Kinder, die daheim leben, sind jetzt im Bett oder lesen noch still. An den Wochenenden läuft es ein bisschen anders, aber unser Lehrplan ist so anspruchsvoll, dass sie die ganze Woche über entweder lernen oder Sport treiben, und deshalb sind sie abends ziemlich erschöpft. Alexandras Zimmer ist ganz hinten.« Sie steht oben an der Treppe, hält sich am Geländer fest und deutet zum anderen Ende des Flures.
Scottie rennt los. »Welche Tür?«, ruft sie.
»Nicht so laut,« schreie ich zurück, und die Frau verzieht vorwurfsvoll das Gesicht.
Sie erklärt mir, dass sie klopfen und als Erste hineingehen wird, für den Fall, dass Alex oder ihre Zimmergenossin nicht anständig angezogen ist. Wir warten, bis sie wieder richtig atmen kann, dann gehen wir den Flur hinunter. Ich schaue auf die Uhr. Als sie fast hinten angekommen ist, klopft Scottie an die Tür, und ich schwöre, die Frau hätte sie fast geschlagen.
»Das ist die falsche Tür!«, schimpft sie.
Ein Mädchenkopf erscheint, und ich schaue in die andere Richtung, falls die Schülerin nicht anständig angezogen ist.
»Entschuldige die
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