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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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Handy dabei?«
    »Klar«, sagt er, »aber wir wollen eigentlich nur abhängen.«
    »Ach, das ist doch blöd«, sagt eins der Zuckerpüppchen und zieht eine Schnute. »Ich rufe trotzdem an.«
    Alex grinst begeistert, aber ihr Enthusiasmus wirkt aufgesetzt. Ich glaube, das hat weniger mit ihrer Mutter zu tun als mit diesen Mädchen. Ob engagierte Väter und Mütter so was dauernd machen: ihre Kinder im Umgang mit Gleichaltrigen beobachten und Dinge entdecken, die sonst keiner mitkriegt?
    Die Mädels stolzieren davon und winken Scottie und mir lässig zu.
    »Blöde Schlampen«, murmelt Alex auf dem Weg zum Lift.
    »Nuttenpack«, sagt Scottie.
    »Was heißt das, Scottie?«, frage ich.
    Sie zuckt die Achseln.
    »Von wem hast du das?«, hake ich nach.
    Sie zeigt auf ihre Schwester.
    »Sie wollen mich nur dabeihaben, weil Sid hier ist«, sagt Alex.
    »Können wir ans Meer?«, fragt Scottie.
    »Ja, klar«, sage ich, »wir machen den Strand unsicher.« Ich schaue zu Alex, die stur geradeaus starrt.
    »Du hättest mitgehen können«, sage ich. »Mit deinen Freundinnen.«
    »Sie haben nichts gesagt«, sagt sie.
    Ich habe bisher geglaubt, dass Alex überall im Mittelpunkt steht. Sie hat die besten Voraussetzungen dafür.
    »Das letzte Mal, dass ich was mit ihnen gemacht habe, war bei uns zu Hause«, sagt Alex. »Du warst wahrscheinlich in deinem Zimmer und hast gearbeitet oder irgendwas. Mom war zugedröhnt. Sie wollte tanzen gehen. Ich hatte keine Lust, aber meine Freundinnen waren total begeistert von ihr. Und sie ist einfach mit ihnen losgezogen. Zum Tanzen. Und ich bin zu Hause geblieben.«
    Wir halten bei Stockwerk fünf, sechs, sieben, acht, neun. Ich merke, dass alle Knöpfe leuchten. »Herrje, Scottie. Findest du das witzig?«
    »Das war Sid.«
    »Tatsächlich?«
    Sid lacht. »Ich find’s lustig.«
    »Warum hast du Mom nie gebremst?«, fragt mich Alex.
    Endlich erreichen wir unsere Etage. Alex geht als Erste raus, Scottie folgt ihr und trällert »Heul doch, heul doch, heul doch« durch den Hotelflur.
    »Ich wusste nicht, wie.«
    »Du hast es nicht gemerkt«, sagt Alex.
    »Aber du redest von deiner Mutter. Was hast du gegen diese Mädchen?«
    »Ich habe nichts gegen sie«, sagt sie. »Nur - aus irgendeinem Grund mögen sie mich nicht. Sie ignorieren mich.« Sie verstummt, und als sie mich anschaut, hat sie Tränen in den Augen. »Ich versteh das nicht. Irgendwie schaffen sie es immer, dass ich mich beschissen fühle. Ich glaube, ich kann Mädchen nicht leiden.«
    »Deine Mutter auch nicht.« Ich möchte sie fragen, was sie an Sid findet. Er läuft vor uns her und hält etwas über Scotties Kopf. Sie hüpft auf und ab. Plötzlich ist er wieder lebhaft. Aber ich frage Alex nicht, was sie an ihm mag, weil ich Angst habe, meine Abneigung könnte sie noch enger an ihn binden. So ist das im Leben. Ich muss so tun, als wäre er mir egal und als würde ich ihn nicht am liebsten im Meer ertränken. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Eigentlich stimmt eine ganze Menge nicht, aber erst seit der Autofahrt heute geht er mir auf die Nerven. Sein Schweigen war so eigenartig.

    Alex sitzt auf dem Balkon unseres Hotelzimmers. Ich schiebe die Glastür auf und trete aus der klimatisierten Kühle in die warme Luft. Alex raucht eine Zigarette. Ich setze mich und beobachte sie wehmütig - ich will ja nicht unbedingt rauchen, aber ich vermisse die mit dem Rauchen verbundenen Erinnerungen. Mit achtzehn hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich mich irgendwann einmal mit solchen Problemen herumschlagen muss wie jetzt. Es wäre viel leichter, ein schlechter Vater zu sein. Ich würde wahnsinnig gern mit meiner Tochter eine rauchen und mit ihr hier herumsitzen, vor uns auf dem Tisch eine Versammlung von Flaschen aus der Minibar, die wir leeren und dann in den Pool unten werfen. Als ich noch jung war und kurz davor, Nachwuchs zu zeugen, glaubte ich, dass das Leben mit Kindern so ähnlich ist, wie wenn man alte Schulfreunde wiedertrifft. Man hängt zusammen rum und macht irgendwelchen Quatsch.
    »Mach sie aus«, sage ich.
    Alex nimmt einen Zug und drückt die Zigarette an der Sohle ihrer Sandale aus, was mir in meiner Jugend enorm imponiert hätte. Eine Geste wie diese überzeugt mich davon, dass sie in dieser Welt zurechtkommen wird.
    »Du könntest wenigstens Leichte rauchen«, sage ich. »Wie Sid.«
    »Stimmt, könnte ich«, sagt sie. Sie stützt sich mit den Füßen am Geländer ab und lehnt sich zurück, sodass sie auf zwei Stuhlbeinen

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