Mit dem Kühlschrank durch Irland
geografischen Wirklichkeit aber war er dem Meeresniveau näher und daher ganz bestimmt der tiefere der beiden Lough Ernes.
Mein Triumphgefühl wich sofort der Scham. Dieser Teil der Welt hatte in seiner Geschichte auch ohne meinen ignoranten Beitrag schon genug kartografische Inkompetenz seitens der Kolonialherren erlebt. Wir waren schließlich in Nordirland. Wir mussten nur an einer Polizeiwache mit all ihren grotesken Barrikaden vorbeifahren, um daran erinnert zu werden.
Bald erreichten wir die Hauptstadt des County Fermanagh, Enniskillen. Enniskillen. Schon der Name genügte, um Erinnerungen an Fernsehsendungen über eine der allzu häufigen Schreckenstaten des Nordirland-Konflikts wachzurufen, aber hier vor mir lag die echte Stadt, nicht der Beitrag einer Nachrichtensendung, die ich mir im friedlichen England ansah. Ich war mit Nordirland in den Schlagzeilen aufgewachsen, war dagegen allmählich immun geworden und hatte eigentlich nie richtig wahrgenommen, dass die Leute dort in Hauptstraßen genau wie unseren einkauften, dass sie Telefonzellen der British Telecom benutzten und Abgeordnete in unser Parlament entsandten. Ich meine in ihr Parlament — na ja, wie auch immer — , genau das ist der Knackpunkt, wie mir scheint. Nachdem wir die scheinbar friedliche Grenzstadt Belleek hinter uns gelassen hatten, fuhren wir an einem letzten verlassenen Grenzposten vorbei und kehrten in die Republik Irland zurück. Ich hatte mich von einem Teil des Britischen Königreichs, den ich nicht erkennen oder verstehen konnte, verwirren lassen, aber jetzt, da wir uns Donegal Town näherten, erfüllte mich wieder das Gefühl, etwas vollbracht zu haben. Ich weiß, es war nur der erste Tag, aber ich hatte viele Meilen zurückgelegt und mir selbst bewiesen, dass ich nichts Unmögliches versuchte.
Mit Donegal Town erreichte ich einen Punkt, der sowohl den Anfang als auch das Ende einer Rundtour durch Donegal County bilden würde und daher das Privileg genoss, neben Dublin der einzige Ort in Irland zu sein, den ich zweimal besuchen sollte. Die Einfahrt in die Stadt zeichnet sich durch einen kleinen Hafen und einen reizenden Blick auf die Bucht von Donegal aus.
Brendan setzte mich vor einem Bed & Breakfast mit einem »Zimmer frei«-Schild ab, und wir verabredeten, später in seinem Hotel ein Bier zu trinken. Es war nicht nötig, nach dem Weg zu fragen: Es lag in Donegal Town, und angesichts der Größe des Orts genügte das als Information. Vermutlich waren in seinem Hotel auch Zimmer frei, aber ich glaube, zwischen Brendan und mir herrschte die stillschweigende Übereinkunft, dass es wegen der vielen Zeit, die wir inzwischen miteinander verbracht hatten, irgendwie eine wichtige Bestätigung unserer Heterosexualität wäre, in verschiedenen Unterkünften abzusteigen.
Ich wurde von der Lady, die das Bed & Breakfast führte, begrüßt, als wäre sie es gewohnt, Engländer mit Rucksack und Kühlschrank zu empfangen. Sie hatte eine zittrige Stimme und redete quälend langsam, als ob sie in der vorherigen Woche gerade erst herausgefunden hätte, was es mit dem Sprechen auf sich hat. In einem endlosen Vortrag erklärte sie mir, dass ich den Kühlschrank an der Eingangstür abstellen könne, wie die Dusche funktioniere und dass es ihr lieber sei, wenn ich im Voraus zahlte. Als sie endlich fertig war, war es schon fast Zeit, Brendan zu treffen. Ich zog mich in mein winziges Zimmer zurück, ließ den verblüffenden Tag Revue passieren und überlegte mir, was ich morgen machen würde und ob ich schon mal ein Schlafzimmer mit weniger Fußbodenfläche gesehen hatte.
Ich hatte vor meinem Treffen mit Brendan nur für einen schnellen Rundgang durch die Stadt Zeit. Es war eine Schande, dass ich nicht ein bisschen mehr Spielraum hatte, denn dann hätte ich ihn zweimal machen können. Donegal Town ist winzig, und es gibt nicht sehr viel mehr zu sehen als die Burg, die ein nettes altes Haus zu sein scheint, zu dem noch ein paar Zinnen hinzugefügt worden sind, damit es den Status einer Burg erlangt.
Brendan und ich tranken in drei Pubs, von denen mir der letzte bei weitem am besten gefiel. Von außen verriet kaum etwas, dass es sich um einen Pub handelte: Netzgardinen, eine alte Lampe und ein verblichenes altes Schild mit einem Nachnamen darauf. In Irland halten sie nur wenig von so pompösen Pub-Namen wie >The Coach and Horses< oder >The Prince of Wales<. Sie benennen die Pubs einfach nach den Besitzern, >Daly’s< zum Beispiel oder
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