Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit dem Kühlschrank durch Irland

Mit dem Kühlschrank durch Irland

Titel: Mit dem Kühlschrank durch Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hawks
Vom Netzwerk:
>McCarthy’s<, was ein erstes Indiz für die intime Atmosphäre ist, die einen drinnen erwartet. Ich taufte diese Einrichtungen bald »Gute-Kumpel-Pubs«, denn jeder redet dort mit jedem, egal, um wen es sich handelt, was zum einen daran liegt, dass die Kunden sehr freundlich sind, und zum anderen daran, dass sie sehr betrunken sind.
    Genauso, wie jedes Orchester seinen Ersten Geiger hat, haben die meisten Pubs ihren Ersten Betrunkenen. Oder den Hausbetrunkenen. Er hat mit dem Pächter vermutlich ein Abkommen getroffen, dass er nur für Getränke, die er noch klar verständlich bestellen kann, zu zahlen braucht. Seine Hauptaufgabe scheint es zu sein, Neuankömmlinge mit einem langen Heulen zu begrüßen und dabei wie ein Ertrinkender mit den Armen herumzufuchteln, bis sein ohnehin schon labiles Gleichgewicht so weit gestört ist, dass er sich völlig von seinem Barhocker zu lösen droht. An diesem Punkt streckt der Zweite Betrunkene instinktiv die linke Hand aus, um ihn daran zu hindern, zu Boden zu stürzen, und trinkt dabei mit der rechten weiter, als hätte er das ganze Manöver sorgfältig einstudiert. Was natürlich stimmt. Seit Jahrzehnten jeden Abend.
    Es dauerte nicht lang, bis Brendan und ich in eine Unterhaltung mit den Stammgästen verwickelt waren, deren Thema die Höhepunkte des Formel-1-Rennens an diesem Tag, die auf dem Fernseher hinter der Bar gezeigt wurden, bestimmten. Ich hielt mich bei dieser Diskussion zurück, was vor allem an meiner Ignoranz in Sachen Motorsport lag, und an meiner Unfähigkeit, irgendwas von dem, was gesagt würde, zu verstehen. Soweit ich feststellen konnte, ging es hauptsächlich darum, wer Erster, Zweiter und Dritter geworden war.
    Der Erste Betrunkene lag jetzt schon fast im Koma, denn die Anstrengung, die es ihn gekostet hatte, uns zu begrüßen, forderte ihren Tribut. Viele Namen wurden vorgebracht und wieder verworfen, aber nach zehn Minuten angeregter Debatte einigte man sich darauf, dass Schumacher gewonnen hatte und Eddie Irvine Dritter geworden war. Alle Anwesenden schienen mit dem, was sie erreicht hatten, zufrieden zu sein. Plötzlich plärrte der Erste Betrunkene: »Wer ist Fünfter geworden?«
    Alle wandten sich ihm schockiert zu. Woher kam diese Frage? Der Mann war während der letzten Viertelstunde in sich zusammengesackt auf seinem Barhocker gesessen. Drei Probleme beschäftigten uns alle: Wie hatte er mitbekommen, was um ihn herum passierte? Wieso hatte er seinen ersten verständlichen Satz an diesem Abend äußern können? Und warum wollte er wissen, wer Fünfter geworden war?
    »Wer ist Fünfter geworden?« Er wiederholte seine außergewöhnliche Frage, aber diesmal schien er der Ansicht, dass es besser sei, sie zu brüllen. Zum ersten Mal an diesem Abend (und ich vermute, auch zum ersten Mal seit einigen Jahren) verstummten die Besucher der Bar völlig. Keiner wusste, welcher Kurzschluss im Hirn des Betrunkenen diese Äußerung ausgelöst hatte, wo doch »Wer ist Zweiter geworden?« wichtiger und »Hilfe!« passender gewesen wären. Vor allem aber herrschte Stille, weil niemand wusste, wer Fünfter geworden war. Als die Diskussion zur Lösung dieses Rätsels endlich in Gang kam, beschlossen Brendan und ich, dass dies das Signal sei, ins Bett zu gehen. Unser »ein Bier für den Heimweg« war zu »drei Bier für den Heimweg« geworden, und wir liefen Gefahr, dem Heimweg allzu viel Respekt zu erweisen.
    Am nächsten Morgen schaffte ich es, weniger Zeit unter der Dusche zuzubringen, als die Alte am Tag zuvor mit den Erklärungen zu deren Gebrauch benötigt hatte. Ich zog mich mit großen Schwierigkeiten auf dem schmalen Teppichstreifen zwischen Bett und Tür an. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Schlafzimmer. Man konnte darin nur schlafen. Außer dem Bett gab es nur noch Platz, um die Tür zu öffnen. Als ich den Flur entlangging, jagte mir der plötzlich so weite Raum Angst ein, als wäre ich agoraphob.
    Am Fußende der Treppe bekam ich einen kleinen Schrecken, als ich entdecke, dass der Kühlschrank verschwunden war. Er war aber nicht gestohlen worden, wie die Lady des Hauses mir beim Frühstück mühsam erklärte.
    »Ich... habe ihn... zur... Sicherheit... in... den... Laden... gebracht.«
    Ich war mir nicht sicher, was das bedeutete, vermutete aber, dass ich es schneller herausfinden würde, wenn ich nicht danach fragte. Der einzige weitere Pensionsgast leistete mir am Tisch Gesellschaft. Es handelte sich um einen Vertreter, der einen mit einem Auge

Weitere Kostenlose Bücher