Mit dem Kühlschrank durch Irland
auch ich mich fühlte. Wir legten gleich darauf ab, denn einer der Vorteile des Glaubenssystems der Fischer war es, dass man keine Zeit darauf verschwenden musste, den Leuten zu erzählen, wo die Schwimmwesten verstaut waren. Es herrschte stillschweigendes Einverständnis darüber, was im Notfall zu tun war: Geht das Schiff unter, ertrinke!
Beim Auslaufen aus dem Hafen von Bunbeg muss man eine Reihe schmaler, sehr schöner Kanäle durchfahren, bevor man die offene See erreicht. Zum ersten Mal schien richtig die Sonne, und London schien mir Lichtjahre entfernt. Als ich das Boot und meinen Kühlschrank und den Blumenstrauß auf diesem betrachtete, war ich mit mir und dem, was ich gerade aus meinem Leben machte, zufrieden. Ich wusste, dass diese Einschätzung einer genaueren Untersuchung nicht standhalten würde, aber es gab um mich herum niemanden, der solch eine genauere Untersuchung vornehmen wollte. In dieser Hinsicht hatte ich also Glück, und ich hatte Gelegenheit, die Vorstellung zu genießen, dass alles großartig war und niemand daran zweifelte.
Die ersten 45 Minuten unserer Reise verbrachten wir damit, uns zwischen kleinen, mit verfallenen Häusern gesprenkelten Inseln hindurchzuschlängeln. Wie Rory mir mitteilte, wohnte seit zwanzig Jahren niemand mehr auf ihnen, und dies hatte ironischerweise damit zu tun, dass sie dem Ufer so nahe waren. Weil es so leicht zu erreichen war, fuhren die Bewohner der Inseln abends oft in ihren primitiven Ruderbooten, den >Currachs<, zum Festland, um sich dort zu amüsieren. Anschließend versuchten sie, völlig betrunken die Rückreise anzutreten. Nun neigt ein Betrunkener schon auf der Terra firma zum Hinfallen, kommen aber noch kabbeliges Wasser, die Unfähigkeit, zu schwimmen, und eine Schiffsmannschaft, der es auffällig an Lebensrettungsmedaillen mangelt, hinzu, ist das Ergebnis eine zwar durchschlagende, aber irgendwie auch sehr endgültige Methode, einen Kater zu kurieren. Es ereigneten sich so viele Todesfälle, dass die irische Regierung schließlich die Inselbewohner zwang, auf das Festland zu ziehen, aber draußen auf Tory, wo die Betrunkenen ohne schlimme Folgen in die Straßengräben taumelten, ging das Inselleben munter weiter.
Vorsichtig stellte ich mich an die Reling und betrachtete voll Respekt die See, deren trübe, tiefschwarze Farbe, in der sich der blaue Himmel über uns nicht spiegelte, mich ein bisschen verwirrte. Vielleicht hatte sie sich entschieden, einen Farbton anzunehmen, der besser zu den vielen Leichen in ihrer Vergangenheit passte.
Schon bald wurde ein winziger Fleck, bei dem es sich um Tory Island handelte, am Horizont sichtbar. Er wurde größer und größer, bis man endlich nah genug war, um zu sehen, wie klein er war. Fünf Kilometer lang und einen Kilometer breit. Rory stand im Heck und steuerte uns in den Hafen, und ich stand neben ihm und schaute über seine Schulter auf eine Karte der Insel. Eine >East Town< und eine >West Town< waren eingezeichnet, obwohl nicht mehr als ein paar hundert Meter zwischen ihnen liegen konnten. Ich stellte mir die Zeichen am jeweiligen Stadtrand vor:
East Town
(Partnerstadt von West Town)
Bitte gehen Sie vorsichtig!
WestTown
(Partnerstadt von East Town)
West Town freut sich über vorsichtige Fußgänger
Wir legten am Ende eines verlassenen Piers an, und ich stellte zu meiner Enttäuschung fest, dass mich kein königliches Begrüßungskomitee empfing, keine schöne, sexuell ausgehungerte Prinzessin, die darauf wartete, von einem Ritter in glänzender Rüstung umworben zu werden (oder von einem Mann mit einem Kühlschrank — je nachdem, wer zuerst kam). Ein paar schmuddelig aussehende Inselbewohner tauchten schließlich aus einem der vier Häuser der Metropole, die vor uns lag, auf und begannen, auf Gälisch mit Rory und seiner Mannschaft zu sprechen. Einer von ihnen half mir dabei, den Kühlschrank ans Ufer zu schleppen, und ich nutzte die Gelegenheit, um ein paar Informationen einzuholen.
»Ich suche Patsy Dan, den König von Tory.«
»Ah ja.«
»Ich dachte eigentlich, er wäre hier, um mich zu begrüßen.«
»Vielleicht leidet er noch an den Folgen der gestrigen Sauferei.«
»Er trinkt ganz gerne, was?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Der Mann lächelte, sprang an Bord und begann, Schlackensteine an seinen extrem abschreckend aussehenden Kollegen weiterzureichen. Ich hatte keine Ahnung, ob es auf der Insel Inzucht gab, aber wenn man das behaupten wollte, dann würde man diesen Kerl als
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