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Mit dem Kühlschrank durch Irland

Mit dem Kühlschrank durch Irland

Titel: Mit dem Kühlschrank durch Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hawks
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kein Ziel mehr hatten, das wir hätten ansteuern können. Er studierte die Karte und schüttelte frustriert den Kopf.
    »Ich kann nirgends eine scheiß R117 finden.«
    Ich nahm ruhig die Karte und war mir sicher, dass ich das Papier glatt streifen, auf einen bestimmten Punkt deuten und mit herablassendem Ton erklären würde: »Hier. Die R117.«
    Und das hätte ich sicher auch getan, wenn ich irgendwo die scheiß R117 hätte entdecken können. Herrje, wo war sie? Den Grund dafür, dass wir diese Straße nicht finden konnten, erkannten wir erst viel später: Die Nummern und Buchstaben der Straßen ändern sich, sobald diese von der Republik Irland auf das Gebiet des Vereinigten Königreichs wechseln. Zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit muss eine der beiden Regierungen beschlossen haben, dass sich die kulturelle Identität einer Nation nur bewahren lässt, wenn sie ihre eigenen Nummern und Buchstaben für Straßen hat. Und gerechterweise muss man sagen, dass dieser Standpunkt verständlich ist, denn ich werde kaum britischen Stolz empfinden, wenn ich eine R117 entlangfahre, aber sobald ich auf der A29 bin, wird mich mit großer Wahrscheinlichkeit ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit der Krone überkommen und ich werde zu einem vollkommeneren Menschen. Leider blieb Gary und mir diese Perle bürokratischer Weisheit verborgen, weshalb wir uns immer weiter verfuhren.
    Einfach anzuhalten und nach dem Weg zu fragen, wäre für uns das Eingeständnis gewesen, dass wir nur über ein ungenügendes Orientierungsvermögen verfügten, und deshalb weigerten wir uns so lange wie möglich, das zu tun. Als wir bemerkten, dass wir nicht mehr auf der B31, sondern stattdessen in einem Gewerbegebiet außerhalb von Markethill waren, machten wir sowohl im konkreten wie im übertragenen Sinne kehrt: Wir wendeten, und wir änderten unsere Vorgehensweise. Wann immer ich mich mit einem Fahrzeug verirre, lande ich mit erschreckender Regelmäßigkeit in einem Gewerbegebiet. Normalerweise nehme ich den Anblick dieser bunten Fertigbauhallen zum Anlass, entweder hysterisch zu werden oder in Tränen auszubrechen. Diesmal bewies ich große Stärke und tat weder das eine noch das andere, denn ich vermutete, es könnte Garys Vertrauen untergraben, wenn ich offen weinen oder laute Schreie ausstoßen würde.
    Nachdem wir der öden Welt des Gewerbes entkommen waren, suchten wir an der Stadtgrenze von Markethill Hilfe. Gary hielt am Straßenrand, und ich kurbelte das Fenster herunter, um nach dem Weg zu fragen. Ich sah mich einer Gruppe grimmig aussehender Arbeiter gegenüber, die gerade ordentlich mit ihrer Mittagspause zu tun hatten.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich und wurde mir plötzlich sehr meines englischen Akzents bewusst, »haben Sie vielleicht eine Vorstellung, wo der Silverbridge Harp GAA Club sein könnte?«
    Sie sahen erst mich an, dann einander. Keiner antwortete. Gary wirkte nervös und beugte sich zu mir herüber.
    »Schon gut, Jungs, tut mir Leid, dass wir euch belästigt haben.«
    Er fuhr rasch weiter.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte ich.
    »Ich glaube, hier in der Gegend übernehme besser ich das Reden.«
    Seine Argumentation klang ziemlich vernünftig. Seit den jüngsten Gewaltausbrüchen und der angeblichen Verwicklung britischer Truppen in diese war die Stimmung in den Wohngebieten der irischen Nationalisten äußerst gespannt, und wir befanden uns gerade mitten in einem von ihnen. Da der Silverbridge GAA Club ein gälischer Fußballverein war, dessen Fans Anhänger der irischen Einheit waren, könnte es verdächtig wirken, wenn jemand mit einem Akzent wie dem meinen dort einen Besuch machen wollte, erklärte Gary.
    »Das ist eine ziemlich verschworene Gemeinschaft, und sie verfügen über die Möglichkeit, uns verfolgen zu lassen.«
    Ich schluckte nicht, wollte aber gerne. Uns verfolgen? Und was dann? Würde man sich um uns »kümmern«? In einem mitleiderregenden Versuch, unbesorgt zu wirken, wechselte ich das Thema und sagte etwas, das unzweifelhaft verriet, aus welchem Land ich stammte.
    »Ist es so heiß, oder bin ich das?«
    »Natürlich ist es verflucht heiß, die Heizung ist voll aufgedreht, du Trottel.«
    James wurde langsam wirklich arg vertraulich.
    Die Sonne gewann ihre Schlacht gegen die Wolken und brannte mit einer ungewohnten Intensität auf uns herab, während Gary und ich, inzwischen potenzielle Ziele, in einer mobilen Sauna ziellos durch Banditenland kurvten. Die Reise hätte besser

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