Mit dem Kühlschrank durch Irland
tat, um bedrückt und respektvoll zu klingen, verlas eine lange Liste von Leuten, die kürzlich verstorben waren. North West Radio war scheinbar der Ansicht, dass die Zuhörer den beginnenden Tag wesentlich leichter meistern würden, wenn man sie mit einer vollständigen Aufzählung derer versorgte, die den gestrigen nicht überstanden hatten.
»Declan O’Leary aus Sligo ist gestern Nachmittag nach langer Krankheit bei sich zu Hause gestorben. Das Begräbnis findet nächsten Dienstag statt. Margaret Mary O’Dowd aus Inishcrone ist gestern Morgen um halb sieben im Schlaf friedlich von uns gegangen. Das Begräbnis findet in der Saint-Meredith’s-Kathedrale in Ballina statt. Und damit sind wir am Ende unserer Todesnachrichten angelangt. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir die nächsten Todesnachrichten heute Nachmittag um fünf senden. North West Radio spricht den Hinterbliebenen seine Anteilnahme aus. Mögen die Seelen der Verstorbenen in Frieden ruhen!«
Die Trauerstimmung wurde dann brutal von einem fröhlichen Werbejingle und einer aufgekratzten Stimme unterbrochen, die verkündete: »Genau jetzt ist es an der Zeit, Ihr neues Zuhause mit dem breit gefächerten Angebot an Haushaltsgeräten von McDonagh’s in Ordnung zu bringen...«
War es nur Zufall oder wurde ich Zeuge, wie McDonagh’s versuchte, blitzschnell die als Kunden zu gewinnen, die gerade den Besitz der Verstorbenen geerbt hatten?
Mich faszinierten die Todesnachrichten im Programm des Radiosenders. Wie notwendig waren sie? Spielte es eine so große Rolle, ob man sich in einem Zustand seliger Unwissenheit befand, was den Tod eines Mannes anging, der einem in Drumcliff einmal ein Paar Schuhe verkauft hatte? Mit Sicherheit war man nur an den Toten wirklich interessiert, denen man einigermaßen nahe gestanden war. Hatte die innerfamiliäre Kommunikation in diesem Teil der Welt derart nachgelassen, dass das Radio solche Nachrichten übermitteln musste?
»Hallo Liebling, Großvater ist gestorben.«
»Ehrlich? Woher weißt du das?«
»Ich habe es heute Morgen bei North West Radio gehört. Die Todesnachrichten.«
»Ah ja. Wann ist die Beerdigung?«
»Ich weiß nicht. Die Jungs in der Arbeit haben sich unterhalten, und da habe ich es nicht mitbekommen.«
»Macht nichts, wir hören die Todesnachrichten ja um fünf noch mal.«
Das ist der Grund, warum es so wichtig ist, die Todesnachrichten zweimal am Tag auszustrahlen. Außerdem werden die Zuhörer so darüber auf dem Laufenden gehalten, ob zu den Toten von zehn Uhr weitere hinzugekommen sind. So, wie ich mich fühlte, war ich versucht, North West Radio anzurufen und ihnen zu sagen, dass sie mich in die Liste für fünf Uhr Nachmittag aufnehmen sollten, wobei ich ihnen versprechen würde, sie anständigerweise rechtzeitig zu informieren, wenn ich aus irgendeinem Grund bis dahin doch nicht gestorben sein sollte.
Anne Marie brachte einen Teller, auf dem sich ein irisches Frühstück türmte. Es sah aus, als wäre es ein bisschen zu viel für meinen empfindlichen Magen.
»Sie müssen schnell essen, denn da ist jemand am Telefon für Sie. Sehr seltsam. Ich bin an den Apparat gegangen, und die Leute haben gefragt: >Wohnt der Mann mit dem Kühlschrank bei Ihnen? Wir sind von North West Radio.<«
»Woher wissen die, dass ich hier bin?«
»Keine Ahnung. Muss sich herumgesprochen haben.«
Anne Marie führte mich in den Flur, wo ich das Gespräch entgegennahm und einer Sekretärin zuhörte, die mir erklärte, dass der Manager von Abrakebabra in Sligo beim Sender angerufen habe und mir ein kostenloses Mittagessen spendiere, falls ich heute mit meinem Kühlschrank bei ihm im Restaurant erscheine.
»Das ist nett«, sagte ich beinahe herablassend. »Ich verrat Ihnen was, ich habe jetzt ein Mobiltelefon. Ich werd Ihnen die Nummer geben für den Fall, dass noch mehr aufregende Angebote eingehen.«
Abrakebabra. Ein wirklich schrecklicher Name für ein Restaurant. Aber trotzdem: Zack, und schon war die Theorie hinfällig, dass nur der Tod umsonst ist.
»Willst du einen Kaffee?«, fragte Bingo von seiner gewohnten Position hinter der Theke aus.
»Danke, das wäre schön.«
»Ich habe einen Surfanzug für dich gefunden.«
»Was?«
»Nun, du wirst einen Surfanzug brauchen. Das Wasser ist ziemlich kalt, weißt du.«
»Bingo, willst du damit sagen, dass wir wirklich versuchen sollen, mit dem Kühlschrank surfen zu gehen?«
»Natürlich.«
»Aber ich dachte, das wäre bloß Geblödel von
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt