Mit dem Teufel im Bunde
es ihr an manchen Tagen langweilig – doch wie gut, dass es darin nichts gab, für das man sie erpressen konnte.
SONNABEND, 31. OKTOBER, VORMITTAGS
In der vergangenen Nacht hatte Juliane van Keupen Laudanum-Saft zu tiefem Schlaf verholfen. Eine morgendliche Benommenheit war geblieben, die sie trotz des angenehmen Gefühls mit kaltem Wasser und einer großen Portion bitteren Kaffees vertrieben hatte. Und schließlich mit dem endgültigen Entfernen der schwarzen Tücher von den Fenstern des Salons.
Als die Herren Bator und Meinert gemeldet wurden, war sie wach und froh über den Besuch. Wenn es im Haus auch nicht mehr so still war wie während der ersten Tage nach Sibyllas Tod, wenn sie auch hin und wieder Lachen und Schwatzen aus der Küche hörte, empfand sie das Haus wie eine Gruft. Als sei nicht Sibylla, sondern sie selbst in einem Totenschrein gefangen. Während der letzten Tage hatte es Stunden des Gefühls von Freiheit gegeben – musste sie sich dessen schämen?
Endlich war sie frei von der Rolle einer Frau, die immer einen Schritt hinter der Bedeutenderen zu gehen hatte, der Rolle einer Frau im mittleren Alter, die auf nichts Besseresmehr hoffte. Dann war eine heimliche Heiterkeit in ihr aufgestiegen, eine Empfindung von Leichtigkeit und Zuversicht, wie sie sie nur aus der Zeit vor Tillmanns Tod kannte und fast vergessen hatte. Sie würde frei sein, bald. Es bedurfte nur einiger Geduld, dann hatte sich das Ausharren doch gelohnt.
Noch war sie gefangen in der Rolle der Trauernden, die für ihre Zukunft auf die Gnade ihrer Nichten hoffen musste. Jeder Besuch, der ihre ständig im Kreis laufenden, quälenden Gedanken unterbrach, war ihr lieb.
Johannes Bator und Zacharias Meinert, sein Schwiegersohn und zukünftiger Teilhaber, waren ihr angenehm. Meinert kannte sie bisher nur flüchtig, Bator und seine Familie hingegen seit ihrer Kindheit.
«Ich hoffe, es stört Euch nicht, dass ich meinen Schwiegersohn mitgebracht habe, Juliane», sagte er, «Ihr kennt ihn ja, und er ist mir eine große Stütze. Auch in dieser traurigen Angelegenheit. Überhaupt ist er ein hilfreicher und sorgender Mensch, unsere kluge Barbara hat eine gute Wahl getroffen.»
Zacharias Meinert errötete. «Ich bitte Euch, Vater», sagte er und senkte den Kopf, «Mademoiselle van Keupen kann kein Interesse an meinem Charakter haben, Ihr solltet …»
«Aber
natürlich
hat sie das. Sei nicht immer so bescheiden, Zacharias.»
Während Monsieur Bator mit einem kleinen Monolog über die Vor- und Nachteile der Bescheidenheit im Handel wie im Privatleben beschäftigt war, tauschten Juliane und Zacharias ein verstohlenes Lächeln aus. Vielleicht, weil sie beide den alten Herrn kannten und schätzten und ihm seine Zufriedenheit gönnten. Vielleicht, weil sie beide mehr über sein Thema wussten, als er sich vorstellte.
«Angemessene Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft», schloss Monsieur Bator und betrachtete den Gatten seiner einzigen Tochter wohlwollend, «sind wahrhaft patriotische Tugenden, die dem Gemeinwohl ebenso wie der Familie dienen. Beides muss gefördert und verteidigt werden. Als wir auf dem Weg zu Euch dem Weddemeister begegneten, haben wir auch ihm gleich unsere Unterstützung angeboten.»
«Unterstützung?» Juliane war erstaunt. Niemand in ihren Kreisen begab sich freiwillig in die Nähe von Verbrechen.
«Ja», Bator nickte bedeutsam, «leider können wir zur Aufklärung der tragischen Geschehnisse in diesem Haus nichts beitragen. Ja, leider. Aber da gibt es diese arme Tote, die zugleich mit Eurer lieben Schwägerin in der Katharinenkirche gefunden wurde. Ihr werdet davon gehört haben, obwohl Euer Herz ganz anderen Kummer hat. Eigentlich war es eine Idee meiner Tochter», gestand Monsieur Bator, «Zacharias ist viel in der Welt herumgekommen, und als Barbara hörte, man vermute, dass sie eine Fremde sei, womöglich aus einer asiatischen Region, weil es hieß, sie habe recht schmale Augen gehabt, fand sie, Zacharias könne vielleicht helfen. Da er vielen solcher Menschen bei seinem Aufenthalt auf Java begegnet ist. Das ist er unbedingt, aber – wie soll ich sagen? Barbara hat es gut gemeint, ja, natürlich war es absolut unwahrscheinlich, dass Zacharias dem Weddemeister raten oder die arme Tote gar kennen konnte. Weil es meiner Tochter jedoch ein echtes Anliegen war, wollte Zacharias ihren Wunsch erfüllen.»
Juliane verstand immer noch nicht, wie Zacharias dem Weddemeister hatte helfen wollen. Sie empfand
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