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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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schätzen wissen. Falls ihr schneller Lauf anderes bedeutete, würde die süße Speise ein Trost sein.
    ***
    SONNABEND, NACHMITTAGS
    «Einzig die Liebe zweier Herzen zählt, Madam, ungeachtet Geburt und Standes. Ja, Madam, das ist das echte Leben, und davon handelt dieses Schauspiel. Wahrhaftig eine die Seele anrührende Lektüre.»
    Der Buchverleiher am Katharinenkirchhof sah seine Kundin mit schmelzendem Blick an; da der Tag mau gewesen war und seine Kasse gähnende Leere zeigte, pries er unermüdlich plappernd seine Ware weiter an.
    Rosina hörte nicht mehr zu.
Le jeu de l’amour et du hasard
stand auf dem Umschlag des dünnen Buches, in dem sie blätterte,
Das Spiel von Liebe und Zufall.
Sie kannte die Komödie von Pierre de Marivaux, das schon durch viele Hände gegangene fleckige Büchlein berührte tatsächlich ihr Herz. Nicht wegen der galanten Handlung von Liebe, Verwechslung und glückseligem Ende oder weil sie darin eine Rolle auf der Becker’schen Bühne gespielt hätte, das einige Jahrzehnte alte Stück war längst aus der Mode. Ihre Mutter hatte ein Exemplar besessen, und sie hatten gemeinsam daran ihr Französisch geübt. Es war so unendlich lange her.
    Plötzlich glaubte sie statt der muffigen Luft des engen Ladens einen zarten vertrauten Duft zu atmen, und nichts schien ihr wichtiger, als das Grab ihrer Mutter zu besuchen. Doch das lag zu viele Tagesreisen entfernt. Im nächstenFrühjahr, dachte sie und verscheuchte die Wehmut, im Mai, dann bestimmt. Dann war auch die beste Zeit, Magnus zu zeigen, wo sie als Kind gelebt hatte. Aber dieses Buch musste sie unbedingt haben.
    «Danke», sagte sie und legte es behutsam auf den Tisch, «ich kenne es schon. Es ist wirklich eine gelungene Komödie.»
    Sie würde sich ein neues Exemplar beschaffen; falls das nicht gelang, eines, das weder zerfleddert noch mit fremden Tränen benetzt war.
    Sie trat aus dem Laden auf den Sankt Katharinen umgebenden Kirchhof, stand zwischen den Gräbern, sah der Reihe von Wagen und Karren zu, die den quer durch den Friedhof verlaufenden, notdürftig gepflasterten Weg entlangholperten, und versuchte, die alten Bilder zu verscheuchen. Vielleicht lag es an der silbernen Querflöte, dem einzigen Wertvollen, das sie damals aus dem Haus ihrer Eltern mitgenommen und auf der sie heute Morgen nach langer Zeit wieder gespielt hatte? Während all der Jahre als Komödiantin hatte sie nicht so oft an ihr altes Leben mit ihren Eltern gedacht wie während der letzten Monate. Und an ihren kleinen Bruder, an dessen Tod sie sich immer schuldig gefühlt hatte.
    Wagner fiel ihr ein, Madam van Keupen – womöglich lag es nicht nur an ihrer Neugier, dass sie sich immer wieder darauf einließ, den Weddemeister bei seinen Aufklärungen von Verbrechen zu unterstützen. Vielleicht glaubte sie tief in ihrer Seele, sie müsse eine Schuld abtragen, das Leid ausgleichen, das sie denen zugefügt hatte, die sie am tiefsten geliebt hatten?
    Ein Sonnenstrahl schlich durch die Wolken und ließ die herbstlichen Farben des Ahorns vor einem der Pastorenhäuser aufleuchten. Vielleicht war das ein gutes Zeichen.
    Sie hatte sich unbehaglich gefühlt, als sie Wagner von dem Brandmal an Akulina Gamradts Arm erzählte. Als sie die Fächermacherin mit geheucheltem Mitgefühl danach gefragt hatte, hatte die nur gleichmütig erklärt, sie sei zu nah ans Herdfeuer geraten, so etwas komme vor.
    Wagner hatte dem zugestimmt, seine Frau habe auch immer wieder kleine Brandwunden an den Händen. Er wolle jedoch Erkundigungen einholen, was immer er damit gemeint haben mochte. Er glaubte eher daran, das Aschenmädchen habe das Feuer gelegt, sie sei die Einzige, die dazu unbemerkt die Möglichkeit gehabt habe, und ihr Schlafplatz befinde sich direkt beim Herdfeuer. So was bringe einen auf Ideen.
    Welchen Grund sie gehabt haben solle? Da hatte Wagner geschnauft und geknurrt, er könne sich eine ganze Reihe von Gründen denken. Dora sei nicht als Waisenkind zu den van Keupens gekommen, sondern als Tochter eines freien Bauern, dessen Familie bei der großen Flut nach dem Deichbruch im vergangenen Jahr alles verloren habe. Die Eltern seien froh gewesen, das jüngste Kind ordentlich unterzubringen. Bestimmt falle es ihr schwer, sich als Niedrigste in einen reichen Haushalt einzufügen, wo man sie vermutlich herablassend und überhaupt schlecht behandele, wenn das im Haus am Cremon auch bestritten werde, und sie habe sich rächen wollen. Leider konnte der Weddemeister zu diesem Verdacht

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