Mit dem Teufel im Bunde
etwas Vernünftiges zur Lösung des Problems einfallen. Kann es sein, Ihr wollt mir sagen, Madam van Keupen habe etwas gewusst, das für Euren Gatten und Euch, nun ja, das peinlich war?»
Sie hatte mit dem nächsten Tränenstrom gerechnet, er wäre angemessen gewesen, doch Madam Koch richtete ihre kleine gebeugte Gestalt auf, wischte mit dem Handrücken die Tränen von Wangen und Kinn und sah Augusta mit vor Zorn dunklen Augen an.
«Das hat sie, in der Tat, und es war mehr als eine Peinlichkeit. Er hat es nur getan, weil ihm sonst kein Ausweg blieb, er war ein guter, ehrbarer Mensch. Aber sie, diese honorige Madam mit ihren Juwelen und Pelzen und englischen Pferden, die hätte das alles nicht tun müssen. Nicht tun
dürfen
. Keinesfalls. Sie war schlecht, Madam Kjellerup, eine Teufelin. Das war sie. Ich schäme mich nicht, das zu sagen, auch wenn sie jetzt tot ist.»
Augusta wollte fragen, was in seiner Vergangenheit so schrecklich gewesen war, dass ein Mann wie der freundliche, bis zur Pedanterie zuverlässige Advokat sich zu einem solchen Verstoß gegen seine Pflichten hatte überreden lassen, doch Madam Koch spürte die Wohltat der Beichte und sprach schon weiter.
«Er hat es nur für unseren Sohn getan, Madam Kjellerup. Florian ist unser einziges Kind, die späte Segnung unserer Ehe. Leider hatte er in seinen jungen Jahren, als er in Göttingen die Jurisprudenz studierte, nicht die Charakterstärke seines Vaters. Inzwischen ist er so, wie mein Gatte ihn sich gewünscht hat, das müsst Ihr mir glauben, er hat fleißig gelernt und meidet die Kaffeehäuser und Spieltische.Die vor allem. Er ist nun am Reichskammergericht in Wetzlar, ein ehrenvoller Posten, der ihm viele Türen für die Zukunft öffnet. Noch ein halbes Jahr, dann wird er in die Fußstapfen seines Vaters treten. Versteht Ihr? Es darf nicht bekannt werden, sonst kann er niemals hier leben. Überhaupt nirgends. Er weiß nichts von der ganzen Sache und darf es nie erfahren. Nie!»
«Pardon, Madam Koch, ich kann Euch nun nicht folgen. Was hat sein Vater für ihn getan, tun müssen, und warum?»
«Verzeiht, ich bin den Branntwein nicht gewöhnt, er lässt mich schneller reden, als vernünftig ist. In seinem ersten Studienjahr ist unser Sohn in schlechte Gesellschaft geraten, das heißt in sehr wohlhabende. Entsetzlich leichtfertige Leute. Er hat schrecklich viel Geld verspielt. Das war sein ganzer Fehler. Natürlich hätte er das nicht tun dürfen, aber neigen nicht die meisten jungen Männer zu Leichtsinn und Unbedachtheiten? Das liegt doch in ihrer Natur. Als er nicht weiterwusste, hat er es seinem Vater gebeichtet und um Auslösung der Schuld gebeten. Er hielt uns immer für wohlhabender, als wir waren. Er brauchte das Geld, andernfalls hätte er sich duellieren müssen. Ein Duell!, Madam Kjellerup. Mein Florian war nie ein guter Schütze, er wäre getötet worden. Die Summe muss enorm gewesen sein, mein Mann hat mir nicht gesagt, wie hoch, aber er hätte es niemals getan, wenn …»
«Es? Was getan?»
Madam Koch griff nach der Karaffe, füllte und leerte ihr Glas und holte, wie Augusta empfohlen hatte, tief Luft.
«Er hat Geld unterschlagen. Fragt mich nicht, von wem und wie, es kann nie herausgekommen sein, sonst hätte es einen furchtbaren Skandal gegeben. Er hat es getan, um unseren Sohn zu retten. War das nicht seine Vaterpflicht?»
Nun holte Augusta tief Luft. «Das ist wirklich stärker alseine peinliche Angelegenheit. Hätte er nicht besser Euer Haus verkauft?»
«Das hat er heimlich beliehen. Zu schrecklichen Zinsen, ja, mein armer Sohn hat nur Schulden geerbt. Bei einem Verkauf hätte doch die halbe Stadt gefragt, warum, und üble Gerüchte verbreitet. Es gehört unserer Familie seit vier Generationen. Einen solchen Besitz verkauft man nicht ohne Not.»
«Ich habe von alledem nie gehört, nicht das blasseste Gerücht», überlegte Augusta, «und glaubt mir, ich höre viel. Woher konnte Madam van Keupen es wissen?»
Das wusste Madam Koch nicht, sie hatte nicht einmal eine Vermutung.
«Von den Spielschulden Eures Sohnes kann sie gehört haben», überlegte Augusta weiter, «davon werden etliche Göttinger Studenten gewusst haben. Aber Spielschulden gelten nicht als ehrenrührig, solange sie beglichen werden. Und das ist ja geschehen. Nun gut», Augusta fand es an der Zeit, sich auch ein Glas Branntwein zu gönnen, «danach können wir sie nun nicht mehr fragen. Jetzt sagt mir noch: Warum kommt Ihr damit zu mir? Sicher habt Ihr
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