Mit dem Teufel im Bunde
keine Beweise finden.
Bei der Erwähnung der Waisenkinder war Rosina siedend heiß eine Bemerkung Tobis’ eingefallen. Als sie ihn bei seiner kleinen Führung der ausländischen Besucher zum Schauplatz des Mordes ertappt hatte, hatte er gesagt, es gebe immer ein Fenster, durch das man aus dem Waisenhaus komme, ohne dem Pförtner in die Arme zu laufen. Das war am hellen Tag gewesen, zweifellos gab es solcheFenster erst recht in der Nacht. Tobi hatte tatsächlich Anlass gehabt, Madam van Keupen einen bösen Streich zu spielen, wenn man Brandstiftung als solchen bezeichnen wollte. Sie hatte ihn wegen einer Nichtigkeit ins Waisenhaus zurückgeschickt. Durch das Kontorfenster zu klettern wäre für ihn ein Leichtes gewesen. Zum Glück fiel ihr ein, dass Tobi nicht von dem zerbrochenen Fensterriegel hatte wissen können. So gab es keinen Grund, dem Weddemeister ihre Gedanken mitzuteilen.
Auch John Wessing, der Handelslehrling, kam Wagner verdächtig vor. Der Junge sei bei der Befragung nervös gewesen, allerdings könne er kaum unbemerkt an dem Aschenmädchen vorbeigekommen sein, und seine größte Sorge sei, dass er seine Lehre nicht fortsetzen könne. Also hätte er zuerst sich selbst geschadet, so dumm sei er nicht.
Lenert Bergstedt, den Ersten Schreiber, hatte er unerwähnt gelassen. Auch ihm hatten das Feuer wie der Tod Madam van Keupens keinerlei Vorteile gebracht. Jedenfalls soviel Wagner bisher wusste. Tatsächlich wusste er bisher wenig. Er mochte den sich über seinen Stand hinaus vornehm gebenden Mann nicht. Schreiber wussten viel über ihre Herrschaft, sie mochten selbst manche Geheimnisse haben. Auch sah es so aus, als habe er über seinen Lohn hinaus eigenes Geld – warum begann er damit nicht einen eigenen Handel? Womöglich hatte er doch einen Grund für den Mord gehabt. Auch die Überlegung, Madam van Keupen habe das Feuer im Kontor selbst gelegt, sprach er nicht aus. So etwas kam vor, in diesem Fall schien ihm der Gedanke nur dumm.
So bleibe nur die Familie, hatte Wagner seufzend erklärt. Das sei immer unangenehm, besonders bei großen Häusern. Höchst unangenehm. Ob Rosina vielleicht schon etwas gehört habe?
Wenig, hatte Rosina erklärt, nichts wirklich Erhellendes. Jakobsen habe erzählt, Sibylla van Keupen sei bei aller Wohltätigkeit eine harte Person gewesen, die ihre Leute im Kontor gut, die anderen jedoch oft harsch behandelt habe. Es möge von Nutzen sein, sich in den Speichern umzuhören, dort solle es Entlassungen aus geringem Grund oder Mangel an Barmherzigkeit gegeben haben.
Das komme auf die Sichtweise an, hatte Wagner erwidert, wer auf die Straße gesetzt werde, fühle sich immer ungerecht behandelt. Er werde Grabbe schicken, der verstehe sich inzwischen auf solche Dinge, und mit seinem schläfrigen Ausdruck erschrecke er die Leute weniger.
Das Gemunkel, als mehr mochte Rosina es noch nicht gelten lassen, über Sibyllas Geiz gegenüber Juliane van Keupen und ihre Strategie, eine Heirat der Schwägerin zu verhindern, hatte sie nach kurzer Überlegung verschwiegen. Vorerst, bis sie selbst mehr wusste und die Gründe verstand.
Letztlich nützte der Tod Madam van Keupens doch nur ihren Schwiegersöhnen, hatte sie laut überlegt, besser gesagt, einem von beiden. Es sei denn, sie beschlössen, das Handelshaus zukünftig gemeinsam zu führen, als Kompagnons, was durchaus üblich sei. Ob Wagner schon die Listen der ausländischen Besucher geprüft habe? Deren Namen und Herkunftsorte würden doch für gewöhnlich an den Toren notiert. Wenn er jemand aus Livorno oder Sankt Petersburg darunter entdecke, sei das eine Überlegung und genaue Prüfung wert.
Der Vorschlag hatte Wagner missfallen. Mit dem Notieren sei es so eine Sache, immer wieder gelange der eine oder andere bei der großen Drängelei kurz vor Toresschluss ungeprüft in die Stadt. Zudem könne er sich nicht vorstellen, dass ein Mann, der so Übles plane, mit einem echtenPasspapier einreise. Gleichwohl, hatte er zögernd hinzugefügt, werde er es bedenken. Es sei schon möglich, dass einer der Schwiegersöhne, der fürchte, das Handelshaus nicht übergeben zu bekommen, zur bösen Tat geschritten sei. Dann müsse es aber eine Verfügung von Madam van Keupen geben, die ihn benachteilige und von der er gewusst habe. Gerade die solle es nicht geben.
Es sei denn, hatte Rosina dagegengehalten, es handele sich um den Gatten der älteren Tochter, falls Madam van Keupen bekannt gemacht habe, sie wolle den der jüngeren bevorzugen. Nun
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