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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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hatte ich mich nicht mehr so mies gefühlt.
    Olli lag schon im Bett, schlief aber noch nicht. Hanne wärmte mir irgendetwas von Mittag auf, Kartoffelpüree mit Sauerkraut und Kassler, glaube ich. Ich weiß es nicht mehr, jedenfalls etwas, wofür es viel zu warm war. Sie hielt sich mit Fragen zurück, obwohl ich die von ihrer Stirn ablesen konnte. Wie sieht es aus?
    Nachdem ich den Teller geleert hatte, saß ich noch eine halbe Stunde auf Ollis Bettkante und ließ mir noch einmal berichten, wie toll er meinen Kollegen geholfen hatte. Er hatte Sehnsucht nach seinem Freund. «Wenn ihr die Verbrecher alle eingesperrt habt, darf ich doch wieder in den Kindergarten und auch wieder bei Sven spielen, oder? Wann sperrt ihr die denn ein?»
    «Bald», sagte ich.
    Als er endlich eingeschlafen war, sprach ich mit Hanne. Nicht über den Stand der Dinge, nur über meine besondere Verwendung, weil sie darauf wartete, dass ich ihr irgendetwas erzählte. Dass ich tun müsste, was Schmitz von mir erwartete, glaubte ich nicht. Wenn er die Lage richtig beurteilte und Maren in dieser Nacht die Kurve kratzen wollte, bekäme ich ja gar keine Gelegenheit mehr für solch einen Einsatz, dachte ich.
    Hanne hörte mir mit unbewegter Miene zu, ließ sich zweimal Feuer für eine Zigarette geben und fummelte an ihren Fingernägeln herum.
    «Warum sagst du nichts?», fragte ich.
«Was soll ich denn sagen?»
«Das ist nicht allein meine Entscheidung. Wenn du nicht
    einverstanden bist, lehne ich ab.»
    Ein Ausdruck von Unsicherheit und Verachtung huschte um ihre Lippen. Sekundenlang betrachtete sie ihren linken Daumen, dann hob sie den Kopf und schaute mich an. «So nicht, Konrad. Ich sag nein, und dann ist es meine Schuld, wenn Ella etwas passiert. Dieser Schmitz hat garantiert nicht gesagt, du sollst dir meinen Segen holen. Die Entscheidung triffst du gefälligst allein. Und warum sollst du ablehnen?»
    Auf diese Frage kam die Andeutung eines geringschätzigen Lächelns. «Du hast Maren gevögelt, als Ella noch gar nicht zur Debatte stand. Und hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun, würdest du gar nicht darüber nachdenken, sondern einfach losfahren, wenn sie dich anruft. Hab ich Recht?»
    «Nein», sagte ich.
    Hanne stampfte mit dem Fuß auf. «Doch! Du würdest, ohne einen Gedanken, nur mit einer Riesenlatte. Ich gebe
    nicht viel auf das, was andere sagen. Aber in dem Punkt hat deine Mutter ausnahmsweise Recht. Wenn dieses Weib in deine Nähe kommt, sind alle guten Vorsätze beim Teufel. Tu, was du für richtig hältst, aber verschone mich mit deinen Sondereinsätzen. Wir reden nicht darüber. Du brauchst mir gegenüber kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich komme schon klar. Und wenn du meinst, du kriegst bei ihr jetzt keinen mehr hoch, kann ich dir ein Rezept besorgen. Dann brauchst du nur eine Pille einwerfen und kannst sie bis zur Bewusstlosigkeit vögeln.»
    Beim letzten Wort schaltete sie den Fernseher ein. Dann war jeder für sich allein. Als ich ins Bad ging, holte sie ihr Bettzeug auf die Couch. Und obwohl ich auch in der Nacht zuvor kaum geschlafen hatte, kam ich nicht zur Ruhe, wälzte mich von einer Seite auf die andere, fühlte das leere Bett neben mir und horchte ins Wohnzimmer. Die halbe Nacht hatte ich Jochens Prophezeiung im Kopf. Es geht so oder so schief. Was Ella betraf, man durfte nicht nachdenken über sie, musste ihre Angst, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung weit von sich weg halten, sonst drehte sich einem der Magen um und man konnte nicht mehr klar denken. Aber die Hoffnung durfte man nicht aufgeben. Was hingegen Hanne und mich anging, war es schon schief gegangen.

Freitag, 6. Juni
    Beim Frühstück sprachen wir nicht miteinander. Olli schaute mit ängstlichen Augen zwischen Hanne und mir hin und her. Er nahm wohl an, wir hätten uns seinetwegen gestritten. Auf seine naiv-unbeholfene Art versuchte er zu vermitteln. Aber er hatte ja nichts getan, nur unerlaubt ein Video eingeschoben, das wollte er nie wieder tun, ganz ehrlich nicht.
    Als ich vom Tisch aufstand, erkundigte er sich unsicher: «Kommst du heute auch wieder so spät, Papa?» Ebenso gut hätte er fragen können, ob ich überhaupt noch einmal heimkäme.
    «Ich hoffe nicht», sagte ich. «Und wenn es doch später wird, sag ich dir auf jeden Fall noch gute Nacht.»
«Auch wenn ich schon schlafe?»
«Ja, auch dann», sagte ich.
Eine gute halbe Stunde später saß ich an meinem Schreibtisch, allerdings nicht lange, dann holte mich jemand in den

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