Mit den Augen eines Kindes
nämlich genau betrachtete, hatte er die beiden Rocker ja gar nicht in die Irre geführt, sondern in die Richtung, in der sein bester Freund wohnte. Und man durfte nicht vergessen, Sven war ebenfalls Zeuge des Überfalls im Kindergarten gewesen. Er hatte Olli ja geholfen, die Rocker aus der Sandkiste zu verscheuchen. Deshalb hatte die Betreuerin – Frau Ruhland – doch gemeint, Sven und Olli seien diejenigen welche gewesen.
«Kannst du die Rocker alle verhaften lassen, Papa?» «Klar», sagte ich. «Die sind schon längst in der
Fahndung.»
«Es waren aber ganz viele.»
«Weiß ich», sagte ich, «aber wir kriegen sie alle.» Nachdem er eingeschlafen war, riss ich Kuvert und
Einladung in kleine Fetzen, stopfte sie in den Mülleimer und suchte etwas zum Schreiben. «Liebe Freunde, es tut mir außerordentlich Leid, dass ich an dem mit so viel Zeitaufwand arrangierten Treffen nicht teilnehmen kann.» Ungefähr so wollte ich formulieren. Aber unseren Schreibblock hatte Olli sich gekrallt und sehr bunt mit Rockern bemalt, damit ich Phantombilder in die Hand bekam. Es gab kein freies Blatt mehr.
Da ich die Sache sofort aus der Welt haben wollte, dachte ich, ich könne es Peter Bergmann auch persönlich sagen. Mittwochs schaffte ich es gerade noch, bevor die Sparkassenfiliale die Türen der Schalterhalle schloss. Peter saß noch vor einem Berg Arbeit in seinem Büro und war enttäuscht, als ich ihm wichtige Ermittlungen auftischte. «Jetzt lass du uns nicht auch noch hängen, Konni. Es haben schon fünf abgesagt.»
Einen hatten sie in Australien aufgetrieben, der hatte sich auch mit mangelnder Zeit entschuldigt, wahrscheinlich war ihm der Flug zu teuer. Von drei weiteren hatten Porky und er die Anschriften nicht ausfindig machen können. Sieben hatten sich bislang noch nicht gemeldet. Und Maren – direkt nach ihr fragen mochte ich nicht. Das war auch nicht nötig.
Peter grinste plötzlich, als sei ihm gerade ein ganzer Kronleuchter aufgegangen. «Dein Orchester wird übrigens auch durch Abwesenheit glänzen. Sie lebt jetzt in Hamburg, das ist zwar nicht aus der Welt, trotzdem ist ihr die Fahrt zu weit, hat sie mir jedenfalls geschrieben. Bei Porky hat sie es etwas anders ausgedrückt, scheint, dass ihr Mann nicht ganz einverstanden ist, wenn sie einen Abend mit anderen verbringt.»
«Sie ist verheiratet?» Was ich in dem Moment fühlte, ist schwer in Worte zu fassen. Einerseits war ich erleichtert, andererseits irgendwie enttäuscht, obwohl ich das nun wirklich nicht sein wollte.
Peter zuckte mit den Achseln. «Behauptet Porky.» «Seit wann?»
Noch so ein Achselzucken. «Frag doch nicht mich, ich
war nicht dabei und kann es mir auch nicht vorstellen. Soll aber ein beeindruckender Typ sein, behauptet Porky.»
«Kennt er ihn?»
«Quatsch», sagte Peter. «Er verbreitet nur, was sie ihm erzählt. Und davon würde ich mal die Hälfe streichen,
mindestens die Hälfte. Einen Macker wird sie haben, ohne Flöte und Puderquast hält die es doch nicht aus. Vielleicht hat der Typ zwei Schwänze, vorne und hinten einen, und zwei Hörner auf dem Kopf, mit denen er es ihr auch besorgen kann. Ich tippe auf so eine Art Luzifer.»
So ganz nebenbei erfuhr ich, dass sie nach Marens Adresse nicht hatten fahnden müssen. Sie stand immer noch in losem Kontakt zu Schweinchen Dick, schickte ihm Postkarten und telefonierte gelegentlich mit ihm. Darüber hinaus offenbarte Peter mir, der gute Willibald sei strikt dagegen gewesen, mich einzuladen. Deshalb hatte ich erst jetzt einen Brief von der Kreissparkasse bekommen. Das hatte Peter – allerdings erst nach Marens Absage – auf seine Kappe genommen.
«Porky wollte dich auf keinen Fall dabei haben. Bist du dem irgendwie auf die Füße getreten?»
«Nein», sagte ich, getreten hatte ich ihn ja nicht.
«Ist ja auch egal», meinte Peter. «Ich hab ihm gesagt, das können wir nicht machen. Bei jedem anderen, aber nicht bei Konni, wo er im Ort lebt. Und unter dem Aspekt, dass Maren fehlt, kannst du deine wichtigen Ermittlungen bestimmt rechtzeitig abschließen. Sind ja noch fast sechs Wochen Zeit.»
Ich versprach ihm, zu tun, was sich machen ließe, blieb aber bei meinem Vorsatz, es mir an dem Samstagabend mit Hanne auf der Couch gemütlich zu machen – vorausgesetzt, ihr Chef hatte keinen Bereitschaftsdienst, bei dem sie ihm Gesellschaft leisten sollte. Auch wenn Maren nicht dabei war, ich konnte mir lebhaft vorstellen, welche alten Geschichten an so einem Abend aufgewärmt wurden.
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