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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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wollen, dass Sven nie wieder Sandwurm spielen müsse. Ich schätze, das war die Wahrheit.
    Obwohl es glimpflich ausgegangen war, hatte dieser Vorfall ärgerliche Folgen. Meine Mutter stand Mitte April noch unter Schock und war nur noch unter großem Lamento bereit, die Verantwortung für Olli zu übernehmen. Hanne musste sich einige zarte Anspielungen auf berufstätige Mütter und wilde Ehen anhören.
    So etwas hatte es ja früher nicht gegeben. Da war man ordnungsgemäß verheiratet gewesen, ehe man Kinder in die Welt setzte. Und dann hatte man sich mit dem begnügt, was der Mann verdiente. Natürlich hatte man sich an allen Ecken und Enden einschränken müssen, kein eigenes Auto gehabt, nicht mal einen Führerschein. Man hatte die Schuhe zum Schuster gebracht und neu besohlen lassen, statt sich neue Schuhe zu kaufen. Aber man war immer da gewesen für die Kinder.
    Man war auch da für die Enkel – jederzeit, wenn das unbedingt sein musste, in Notfällen. Nur wurde man ja älter, war nicht mehr so flink. Und inzwischen hatten wir doch lange genug auf Probe gelebt. Ich war im letzten Herbst zum Ersten Kriminalhauptkommissar und Leiter des neu gegründeten, für Einbrüche zuständigen Kommissariats – kurz das KK 41 befördert worden und verdiente ausreichend, um eine Familie alleine zu ernähren. Da sei es doch gar nicht mehr nötig, dass Hanne mitarbeitete.
    Hanne dachte gar nicht daran, ihren Job an den Nagel zu hängen. Da hätte ihr Chef sich wohl auch die letzten Haare vom Kopf gerupft aus lauter Verzweiflung. Und ihr wäre vermutlich bald die Decke auf den Kopf gefallen. Nur Partnerschaft, Kind und Haushalt? Man brauchte doch geistige Herausforderungen und soziale Kontakte; Patienten und Arbeitskolleginnen, mit denen man mal ins Kino, ins Theater oder in ein Restaurant ging. Sie genehmigte sich alle zwei Wochen einen freien Abend. Mir hatte sie das gleiche Recht eingeräumt, aber ich nutzte es nicht, genoss nach Feierabend lieber das nicht immer beschauliche Familienleben.

Dienstag, 15. April und die Tage danach
    Für den Abend war Hanne verabredet. Sie wollte mit Esther, einer Arbeitskollegin, nach Köln fahren und ins Kino gehen. Als ich heimkam, war sie im Bad, fuhr nochmal mit dem Kamm durchs Haar, sprühte etwas Deo nach und war damit schon ausgehfertig.
    Ehe sie die Wohnung verließ, wies sie mich darauf hin, es sei Post für mich gekommen. Auf dem Fernseher lag ein unscheinbares Kuvert. Meine Mutter hatte es nachmittags vorbeigebracht, ohne zu ahnen, was der harmlos aussehende Umschlag enthielt. Er sah aus, als käme er von der Kreissparkasse. Da kam er auch tatsächlich her, so konnte man Porto sparen.
    Hanne dachte wohl wie ich im ersten Moment, es handle sich um eines der üblichen Formschreiben, den Dispokredit oder sonst etwas betreffend. Aber in dem Kuvert steckte die Einladung zum Klassentreffen, dem ersten nach zwanzig Jahren.
    Samstagabend, 24. Mai, 20:00 Uhr.
Ich überflog den Text und wollte absagen, sofort. Eine gute Ausrede zu bieten wäre kein Problem gewesen. Ich hätte wichtige Ermittlungen als Vorwand nehmen können.
    Das klingt immer glaubwürdig bei einem Kriminalhauptkommissar. Dass ich seit dem letzten Herbst nicht mehr selbst ermittelte und auch keinen Bereitschaftsdienst mehr hatte, musste ich ja niemandem auf die Nase binden.
    Bereits als ich den ersten der beiden Namen im Briefkopf las, sah ich einen überaus schwerwiegenden Grund – das meine ich wörtlich –, auf den gemütlichen Abend im Kreise ehemaliger Mitschüler zu verzichten. Den Fettwanst Willibald Müller. Es gab noch einen zweiten, nicht weniger triftigen Grund.
    Die Anrede löste so ein sonderbares Zittern im Innern aus, das Wut sein konnte, aber auch ganz etwas anderes. «Lieber Konni.» Die Letzte, die mich Konni genannt hatte, war Maren gewesen – vor neun Jahren, in diesem Hotelzimmer in Köln. Ich sah mich im Auto sitzen. Auf dem Beifahrersitz lag die Sektflasche. Meine Finger trommelten einen Wahnsinnstakt aufs Lenkrand. Kleiner Stau in der Kölner Innenstadt. Und ich hatte doch keine Zeit, musste zu ihr, sie quer durchs Hotelzimmer lieben, meine Kündigung und den Gang zum Scheidungsanwalt mit ihr feiern. Mir war wirklich nicht danach, sie wieder zu sehen.
    Ich brachte Olli ins Bett, hörte mir seine obligatorische Gute-Nacht-Geschichte an. Seit seiner einsamen Radtour durch die Kerpener City hatte er nur noch ein Thema. Inzwischen befürchtete er, einen großen Fehler gemacht zu haben. Wenn man es

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