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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Vielleicht erzählte Porky von meiner Scheidung, damit niemand im Unklaren blieb, wie es mit Maren und mir weitergegangen war. Ich wollte nicht zur Witzfigur werden, mich weder an Marens Sinnlichkeit und ihre Anziehungskraft noch an ihre Art, Rache zu üben, erinnern.
    Nur deshalb hielt ich es für überflüssig, Hanne oder sonst wem etwas von der Einladung zu erzählen. Doch Hanne erfuhr ziemlich bald von dem über ihrem Kopf schwebenden Damoklesschwert, dafür sorgte meine Mutter. Wie der Zufall so spielte, traf sie beim Lidl die Mutter von Brigitte Talber, die früher in der Schule neben Maren gesessen hatte. Brigitte war seit zehn Jahren mit einem Arzt verheiratet, lebte in Potsdam, hieß nun Berger und hatte zwei süße kleine Kinder. Frau Talber zeigte meiner Mutter Fotos ihrer Enkel und ließ verlauten, Brigitte wolle das Treffen ihres Abiturjahrgangs für einen Familienausflug nutzen. Darauf freute Frau Talber, die ihre Enkel wohl nur selten sah, sich schon sehr.
Meine Mutter freute sich überhaupt nicht, hörte sie doch zum ersten Mal von dem bevorstehenden Ereignis. Zuerst hielt sie Hanne einen Vortrag, der im Wesentlichen besagte, sie solle mich am vierundzwanzigsten Mai festbinden, betäuben, mir notfalls beide Beine brechen, damit ich nur ja nicht in die Nähe eines bestimmten Weibes käme. Da ich das Klassentreffen bisher mit keinem Wort erwähnt hatte, musste ich ja etwas im Schilde führen.
    Und da Hanne sich weigerte, mich mit Gewalt daran zu hindern – meinte sie doch tatsächlich, ich sei alt genug, um zu wissen, was ich tat, was Mutter für jugendliche Unvernunft hielt –, musste auch ich mir noch einen längeren Vortrag anhören. Mutter beruhigte sich erst wieder etwas, als ich sagte:
    «Jetzt reg dich ab, erstens will ich gar nicht hingehen, zweitens ist Maren inzwischen verheiratet, drittens kommt sie gar nicht.»
    Zweitens schloss auch meine Mutter völlig aus mit einem ihr logisch erscheinenden Argument. «Die ist doch nicht verheiratet. Das wüsste ich aber.» Dass sich in Hamburg ein Paar das Jawort gegeben haben könnte, ohne dass in Kerpen ein Mensch davon erfahren hatte, zog sie nicht in Betracht. Zwischen erstens und drittens sah sie einen unmittelbaren Zusammenhang, war aber trotzdem zufrieden.
    Ich war es nicht. Tagelang gärte und brodelte es in mir. Obwohl ich mich nicht mit ihr beschäftigen wollte, kreiste Maren mir durchs Hirn mit Erinnerungen und diversen Vorstellungen. In Hamburg also. Und nicht allein. Mir drängte sich unweigerlich das Bild eines Herkules auf, so eine Mischung aus Silvester Stallone und Arnold Schwarzenegger, dem sie das Mark aus den Knochen saugte. Ein paar Mal spielte ich mit dem Gedanken, mich bei den Hamburger Meldeämtern kundig zu machen, ob Peter Bergmann und meine Mutter mit ihrer Einschätzung richtig lagen. Aus ihrer Anschrift hätte sich auch einiges ableiten lassen, zumindest in welchen finanziellen Verhältnissen sie lebte.
    Aber das tat ich dann doch nicht. Ich bemühte mich nur darum, mir Maren wieder aus dem Kopf zu schlagen. Und damit war ich so beschäftigt, dass ich mir daneben keine großartigen Gedanken über die Freundschaft meines Sohnes und die Familie Godberg machen konnte.

Montag, 5. Mai und die folgenden Tage
    Es war der Wochentag, an dem kleine Jungs einen großen Nachholbedarf haben, weil sie übers Wochenende sowohl ihre Phantasie als auch ihren Tatendrang zügeln mussten. Den Vormittag im Kindergarten brachte Olli noch einigermaßen gesittet hinter sich, weil seine Gruppe die Polizeiwache besichtigte.
    Vielleicht wurde er auch aufgefordert, für die Kollegen, die seinen ersten Aufenthalt – und die Schilderungen von bargeldlos auf unserem Planeten gestrandeten Außerirdischen sowie anderen unglaublichen Erlebnissen
– nicht persönlich hatten miterleben dürfen, noch einmal zu erzählen, wie überaus flink und raffiniert er vor einem Monat zwei bösartige Verfolger in die Irre geführt hatte. Polizisten sind auch nur Menschen und amüsieren sich lieber, als dass sie mit sorgenvollen Mienen ihren Dienst versehen.
    Um zwölf nahm Ella Godberg ihn und ihren Sohn beim Kindergarten in Empfang. Er bekam eine warme Mahlzeit und zum Nachtisch eine Banane, die er nicht aufessen mochte. Statt den Rest ordnungsgemäß im Mülleimer zu entsorgen, warf Olli ihn achtlos in den Garten.
    Und eine gute Stunde später rutschte Ella darauf aus, stürzte und zog sich an der Terrassenkante einen komplizierten Armbruch zu. Das jedenfalls

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