Mit den Augen eines Kindes
der Neuigkeit, das Angebot für das Smaragdcollier stehe nun bei zweiundvierzigtausendfünfhundert. Das interessierte mich momentan nur am Rande. Und als ich versuchte, ihm irgendwelche Beobachtungen vom vergangenen Nachmittag zu entlocken, schaute ich in eine betretene Miene. Er versuchte sich herauszureden, Herr und Frau Kremer seien ja nicht daheim gewesen.
Ich wurde ziemlich laut. «Vielleicht waren sie nur im Garten und haben das Telefon nicht gehört. Und wenn Sie da gewesen wären, hätten Sie vielleicht gesehen, was bei Godbergs vorging! Das war eine dienstliche Anweisung! Und Sie setzen sich einfach darüber hinweg. Es steht nicht alles im Internet, verdammt nochmal! Ab und zu muss man auch Klinken putzen!»
Durch den Lärm in meinem Büro angelockt, kam Jochen dazu und hätte gerne den Grund für mein Gebrüll erfahren. Nachdem er ihn kannte, meinte er: «Jetzt kannst du mir auch gleich den Kopf waschen. Ich hab mir nämlich keinen Kaufbeleg für das Collier zeigen lassen. Ich hab nicht mal geprüft, ob es das Ding in doppelter Ausführung gibt, und bin auch nicht auf den Gedanken gekommen, die Kremers zum fünften Mai zu befragen. Aber das hole ich sofort nach, mache ich in einem Aufwasch. Danach unterhalte ich mich mal mit Ella Godbergs Bruder, hätte ich auch schon letzte Woche tun sollen.»
«Nein», bestimmte ich. «Du kümmerst dich um ein anderes Mitglied der Familie. Godbergs Onkel ist Goldschmied. Für ihn dürfte es eine Kleinigkeit sein, Stempelchen in Blech zu drücken. Nach Kerpen fährt er.»
Das tat Andreas Nießen dann auch – in einem Zivilwagen, der allerdings mit Funk ausgestattet war und eine entsprechende Antenne trug, aus der aufmerksame Beobachter die richtigen Schlüsse ziehen konnten. Und er verschleuderte nur Steuergelder, sprich Benzin. Herr und Frau Kremer hatten weder am vergangenen Nachmittag noch am fünften Mai etwas beobachtet, was uns weitergeholfen hätte. Nicht mal vom Einsatz der Rettungskräfte nach Ellas Armbruch hatten sie etwas mitbekommen. Montags nachmittags machten sie nämlich immer die Wocheneinkäufe, da waren die Läden nicht so voll. Und die restlichen Anwohner in der Straße waren tagsüber nicht daheim.
Als Andreas Nießen zurückkam, war es Mittag vorbei. Er war sehr bestrebt, die Scharte auszuwetzen. «Soll ich heute Abend noch einmal nach Bad Neuenahr fahren? Vielleicht bekomme ich diese Katja zu packen oder bringe ihren Familiennamen in Erfahrung. Dann hätten wir einen Ansatzpunkt.»
«Und was versprechen Sie sich davon?», fragte ich. «Dass Katjas Freund gesteht, Godbergs Wagen demoliert und Frau Godberg den Arm gebrochen zu haben?»
Er wurde tatsächlich rot. «Natürlich nicht, aber ich dachte – ich meine, wegen gestern. Es könnte ja noch mehr betrogene Kunden geben, wenn der Onkel von Herrn Godberg …»
Sein Stammeln erinnerte mich an Willibald Müllers vergeblichen Versuch, mir Maren vom Leib zu halten. Aber inzwischen hatte ich schon ziemlich viel Abstand gewonnen, fand ich. Die Stunden auf dem Rathausparkplatz kamen mir fast vor wie ein pubertärer Traum. Das schlechte Gewissen und die Furcht, Hanne könnte davon erfahren, hatten sich zwar noch längst nicht zur Ruhe begeben. Doch das Bedürfnis, meine Gewissensbisse und Ängste mit einem Menschen zu teilen, hatte ich nicht mehr.
Als Jochen kurz nach vier noch einmal bei mir erschien, um zu fragen, ob und was Andreas Nießen in Erfahrung gebracht hatte, sprachen wir nur darüber. Jochen hatte seinen Auftrag auch nicht ganz erfüllen können. Godbergs Onkel lebte in Köln-Klettenberg, machte aber zurzeit Urlaub auf Teneriffa. Das hatte Jochen von einer Nachbarin gehört. Ob der Onkel Schmuck für seinen Neffen anfertigte, wusste die Frau natürlich nicht.
Anschließend war Jochen eine Weile hinter Ellas Bruder hergefahren. Manfred Anschütz hieß er, arbeitete bei einem Entsorgungsunternehmen, früher hatte man dazu Müllabfuhr gesagt. Dass sein Schwager fremde Leute mit falschem Schmuck betrog, konnte Svens viel Bier trinkender Onkel sich nicht vorstellen. Damit behängte Alex doch immer die arme Ella.
Manfred Anschütz zog erst mal kräftig über seinen Schwager her. Ja, der Alex, bildete sich wunders was ein auf seinen Charme und seinen Geschäftssinn, schaute auf alle herab, die ihr Geld mit ihrer Hände Arbeit verdienten, und meinte, man müsse ihm dankbar sein, dass er eine wie Ella genommen hatte. Sie kam ja auch aus dem Proletariat. Da glaubte Alex, er könne sich ihr
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