Mit der Liebe eines Highlanders
erläutern.
Was sollte sie tun?
Was würde sie ihm signalisieren, wenn sie heute zu Hause blieb? Dass sie ein gutes, gehorsames kleines Mädchen war, dem er nach Belieben seinen Willen aufzwingen konnte?
Doch hatte sie andererseits nicht den Eindruck, dass Morgan ein Mensch war, der unsinnige Forderungen stellte. Auch war sie nicht die Frau, die einen aufrichtig gemeinten Rat ignorierte, wenn ein vernünftiger Grund vorlag.
»Verdammt, MacKeage!«, rief sie laut und schüttelte die Faust gegen den Wald. »Du bist ein arrogantes Ekel!«
Als ihr hallender Ausbruch unbeantwortet blieb, atmete Sadie frustriert aus und widmete sich ihrer fallen gelassenen Ausrüstung. Sie hob den Sack auf, in dem ihre Papiere steckten, und nahm Jean Lavoies Tagebuch und ihre eigenen Aufzeichnungen heraus. Noch immer verärgert, weil sie zuließ, dass vier schlichte Worte ihren Tag beherrschten, polterte Sadie die Stufen hinunter und strebte zwei hohen Ahornbäumen zu, zwischen denen eine Hängematte gespannt war.
Bei dem Versuch, sich in die Hängematte zu schwingen, strangulierte sie sich fast. Am Ende landete sie in einer Staubwolke auf dem Boden und musste husten.
Sie musste sich fassen, damit sie nicht körperlich zu Schaden kam. Ja, sie würde heute den Wald meiden, doch würde Morgan MacKeage eine geharnischte Strafpredigt über Freundschaft zu hören bekommen – wenn und wann sie ihn jemals wiedersah.
Sadie staunte, wie viel Arbeit man erledigen konnte, wenn einen eine gesunde Portion Zorn beflügelte. Sie hatte über drei Stunden in der Hängematte gelegen, völlig vertieft in Jean Lavoies Tagebuch, aus dem sie eifrig Informationen in ihr eigenes übertrug, die ihr helfen würden, Jeans Bewegungen durch das Tal nachzuvollziehen.
Jetzt wachste sie ihr altes Kajak gründlich ein und ließ sich den Inhalt von Jean Lavoies Tagebuch durch den Kopf gehen. Das ganze Tal war zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts stark abgeholzt worden. Das Holzfällerlager, in dem Jean als Koch gearbeitet hatte, war mit den Arbeitern langsam flussaufwärts gewandert. Es hatte im Laufe von sechs Jahren mindestens drei Camps gegeben, vielleicht auch vier, wie sie den Aufzeichnungen entnommen hatte.
Da sich das alles aber vor über achtzig Jahren zugetragen hatte, musste man damit rechnen, dass inzwischen die Überreste der Lager größtenteils verrottet waren.
Und Jean Lavoie war trotz seiner Liebe zum Detail kein begabter Tagebuchschreiber, zumal der mit frankokanadischen Ausdrücken gespickte Text stellenweise unverständlich war.
Es sah aber so aus, als hätte Jedediah Plum Camp Nummer drei im vierten Jahr von Jeans Tätigkeit als Koch aufgesucht. Und Camp Nummer drei musste irgendwo an der Westseite des Fraser Mountain gelegen haben, weit weg von den Ufern des Prospect River.
Sadie drehte ihr Kajak auf dem Picknicktisch um und machte sich daran, die obere Deckfläche mit Wachs zu bearbeiten. Sie musste Camp Nummer drei finden. Es war der letzte bekannte Ort, an dem Jedediah lebend gesehen worden war. Und die Westseite des Fraser Mountain war auch das Gebiet, in dessen Nähe Frank Quill das Gold vermutet hatte.
Die sich über viele Jahre erstreckenden Nachforschungen ihres Vaters hatten jedoch die Fundstelle nur auf ein Gebiet von zweitausend Morgen einengen können. Und eine kleine Goldablagerung in zweitausend Morgen zu finden glich der Suche nach einem ganz bestimmten Sandkorn in der Wüste. Es gab unzählige kleine Rinnsale, die an diesen Bergflanken herunterflossen, und jedes konnte die Quelle von Jedediahs Gold sein.
Sadie warf den mit Wachs verschmierten Lappen auf den Tisch, griff nach einem Poliertuch und bearbeitete das Kajak mit kraftvollen, kreisförmigen Bewegungen. Morgen wollte sie an den Fuß des Fraser Mountain und dort ihr Lager aufschlagen. Sie würde aber nicht nach Jedediahs Wasserlauf suchen, sondern nach dem Standort von Camp drei. Fand sie ihn, würde sie vielleicht, aber nur vielleicht, auch einen Hinweis finden, der sie zum Gold führen konnte.
Das Geräusch eines sich rasch nähernden Kombis störte Sadies Überlegungen. Sie blickte auf und sah Eric Hellman in einer Wolke staubiger Kiesel und Tannennadeln anhalten. Ihr frisch geharkter Hof war im Eimer.
»Es ist Montag«, sagte er, als er aus dem Fahrzeug sprang und auf sie zuging. »Ein Arbeitstag, Quill. Warum bist du nicht unterwegs und suchst Plums Gold?«
Sadie stemmte die Fäuste in die Hüften und sah ihren Chef finster an. »Weil ich mir eben
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