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Mit der Linie 4 um die Welt

Mit der Linie 4 um die Welt

Titel: Mit der Linie 4 um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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die Bahn sich dem Wohngebiet Auf der Horst nähert, dann auf dem Planetenring weiterfährt, wird deutlich, dass die Stadt hier noch lange nicht zu Ende ist und die innenstadtferne Lage wahrscheinlich vor allem durch günstige Mieten und eine relative Ereignisarmut lockt. Die Bebauung aus Reihenhäusern und Plattenbauten entlang der Linie 4 ist nun von der gleichen Farbe wie der verhangene Himmel. Diejenigen, die noch in der Bahn sitzen, wollen nach Hause. Mein Rucksack ragt zu weit in den Gang und behindert eine Frau mit Kinderwagen.
    Maren: In Garbsen ist alles planetarisch und nach Plan gebaut. Es gibt riesige Schulgelände, die eine gesamte Gleisseite zwischen Skorpiongasse und Marshof einnehmen, fünfhundert Meter.
    Melanie : Annett sagt, an jeder Endhaltestelle gebe es entweder ein Einkaufszentrum oder eine Autobahn.
    Öfter als Autobahnen sind es allerdings Bahnhöfe. Der Bahnhof ist in Hannover genau auf der Mitte der 4er-Strecke. Aber das Einkaufszentrum bestätigt sich.
    Lena: An der Endhaltestelle Garbsen wartet das Planetencenter, einstöckig, weißer Rauverputz, ein wenig Glas um den Eingang.
    Maren: Traurig, und auch sonst ist nicht viel los: Das eigentliche Zentrum von Garbsen liegt woanders.
    Als wir durch die Drehtür in die Umlaufbahn des Konsums eintreten, erzählt Maren, dass Garbsen, als sie Kind war, für seine Möbelhäuser bekannt gewesen sei, und ganze Familien kamen mit dem Auto angefahren, um Möbel zu gucken: Das Planetencenter jedenfalls hat schon bessere Zeiten gesehen. Der ansässige Friseur bringt die Situation auf den Punkt und titelt: »Haarige Zeiten. Dauertiefstpreise.« Die Bürgerinitiative gegen den Verfall des Zentrums trifft sich im Le Blanc zu einem Nachmittagsbier.
    Beim Bäcker gibt es Hannover-96-Brezeln, die Zahl geformt wie das Logo der Mannschaft. Ein Japaner bietet Bubble Tea an.
    Melanie : Auf der Bubble-Tea-Angebotstafel ist mehr Auswahl als auf der regulären Speisekarte.
    Lena: Hit und ABC-Schuhe versorgen die Anwohnerinnen und Anwohner mit Waren, für die vor allem ihr kleiner Preis spricht. Beide Läden sind im noch belebten Teil der Einkaufspassage angesiedelt, bald dahinter beginnt die schwach beleuchtete Leere, ein langer Gang durch ungenutzte Verkaufsflächen.
    Kurz bevor es ganz dunkel wird im Gang, ein Regal: Bücher zum Mitnehmen und Ausleihen. Konsalik & Co, alte Reader’s Digest und Bücher aus dem Bertelsmann Buchclub. Sehr dick und mit Goldschnitt: Angélique und die Versuchung .
    Da kann man ja gleich Panorama bei Spiegel online lesen und muss nicht noch Papier mit sich herumschleppen. Aber dann finde ich doch noch eine Anthologie mit Dichtern der deutschen Teilung und bleibe bei einer Geschichte von Adolf Endler hängen, Bobbi Bergermanns Vormittagsweg, die an der Wendeschleife der Linie 4 in Berlin spielt, damals, als da noch die Mauer war mit dem Podest, auf dem die westdeutschen Schulklassen standen und rübergrölten. Futter für meinen Berliner Linie-4-Text und wieder was zu schleppen. Was mir auffällt: keine aufdringliche Shopping-Mall-Musik.
    Melanie: Die Stille im Planetencenter ist mit der Stille in unbewohnten Gebieten vergleichbar, nur dass man dort gelegentlich Vogelgezwitscher und Blätterrauschen hört, hier aber Rollatoren und Motorrollis den Grundton bestimmen.
    Wir treten aus dem Planetencenter und landen auf der Erde. In Garbsen. Wo sollen wir hin? Was ist unser Ziel? Schließlich nehmen wir Lenas Vorschlag an.
    Lena: Es ist Nachmittag, grau, kalt, und es regnet. Morgen wollen wir in Paris sein. Bis dahin sind es achthundert Kilometer. Unsere Raststätte ist Hannover-Garbsen. Wenn wir dort sind, wird die Sonne scheinen, und die Leute werden uns lächelnd die Türen öffnen, zu ihren schnellen, sicheren Autos.
    PS: Marens Statistik für die Dagebliebenen.
    Fahrzeit: 43 min.
    Haltestellen: 33
    Fahrkartenkontrolleure am 19.06.2012: keine …

Von Itzum
nach Himmelsthür
    Hildesheim, Niedersachsen
    A uf dem Hügel von Itzum, gleich hinter der katholischen Kirche St. Georg, kann man bei klarem Wetter die Ausläufer des Harzes sehen. Mitten auf dem Feld steht eine kleine weiße Imbissbude mit runden Ecken, wie es in den sechziger Jahren Mode war. Sie ist geschlossen, und man fragt sich, warum jemals jemand auf die Idee kam, sie an dieser Stelle zu eröffnen. Es hat eher den Anschein, als habe jemand die Herstellung von Pommes frites so gründlich übergehabt, dass er, nachdem die Zugmaschine an der Steigung den Geist aufgegeben hatte,

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