Mit der Zeit
Fehllicht der Scheinwerfer trat, konnte ich erkennen, daß die Röte auf seinen Wangen kein Make-up war. Er war lediglich erregt.
Es war gewiß nicht die Aussicht, für das Fernsehen interviewt zu werden, die ihn stimulierte. Als ich mit dem Zeremoniell fortfuhr und ihm Klüvers mit Namen und den Rest der Crew pauschal vorstellte, bekam keiner von ihnen mehr als ein vages Kopfnicken. Und als Klüvers ihn bat, sich auf seinen Stuhl zu setzen, damit die Beleuchtung noch einmal kurz überprüft werden könne, wandte er sich an den Ersten Sekretär und sagte etwas auf arabisch. Ich wußte genug, um das, was er sagte, dem Sinn nach zu verstehen. Es war eine Anordnung an den Sekretär, ihm alle zwanzig Minuten zu sagen, wie spät es war. Für mich gab es nur eine mögliche Erklärung für die Art und Weise, wie er aussah und sich benahm. Er hatte sich mit irgendeinem Mittel aufgeputscht.
In diesem Augenblick entschied ich mich für einen der plumpsten Züge, mit denen sich ein Interview eröffnen läßt. Wenn der zu Interviewende irgendeinen Rang hat, versucht man, ihn hochzujubeln. Wenn er es durchgehen läßt, weil er sich geschmeichelt fühlt, hat man sich einen Vorteil verschafft; wenn er einen prompt verbessert, hat man wenigstens gleich einen Einstieg. Riskant ist es nur bei jemandem, der bereit ist, einen mit der Bemerkung bloßzustellen, man habe offensichtlich seine Hausaufgaben nicht gemacht. Dieses Risiko glaubte ich beim Herrscher ohne weiteres eingehen zu können. Und so begann ich, nachdem das »Kamera läuft« vom Kameramann und ein »Petrucher-Interview, die erste« vom Handlanger-Fahrer-Klappenmann gekommen war, meine Vorstellung nicht mit »Seine Hoheit, der Emir von« sondern mit »Seine Königliche Hoheit, der Emir«.
Eine Zeitlang glaubte ich, er würde es durchgehen lassen. Aber nein. Als ich den einzigen Satz begann, der mir als Auftakt eingefallen war, eine banale Frage nach seinen Gründen für den Erwerb der Mine, in der wir nun saßen, hob er eine Hand, um mich zu unterbrechen.
»Nein, Mr. Halliday«, sagte er. »Bitte nicht so stürmisch. Nicht Königliche Hoheit.«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sir. Ich hatte nicht den Wunsch …«
Aber er schnitt mir das Wort ab. »Unsere Familie ist sehr alt und vornehm, aber nicht königlich. Diese zweifelhafte Ehre überlassen wir gerne den Königsdynastien.«
»Beispielsweise der Königsfamilie der Saudis, Eure Hoheit?«
Aber er sah die Falle. Er war nicht bereit, die Königsfamilie der Saudis in aller Öffentlichkeit als zweifelhaft zu bezeichnen. »Nein, Mr. Halliday. Ich hatte mehr an die iranische Dynastie Pahlewi gedacht«, sagte er und begann zu grinsen. »Der Vater des zweiten und letzten Schahs war ein Eseltreiber, der nicht lesen und schreiben konnte, der Soldat wurde, der die Dynastie stürzte, in deren Diensten er gestanden und von deren Geld er gelebt hatte, und am Ende nannte er sich nicht nur Schahanschah, sondern auch Vizeregent Gottes und Zentrum des Universums. Also das, finde ich, war sehr königlich.«
Er hatte, noch während er redete, angefangen, vor Vergnügen zu grunzen. Dann hustete er einmal, versuchte zu schlucken und wurde plötzlich von einem Lachkrampf geschüttelt.
Dreizehntes Kapitel
D
as ging fast eine Minute lang. Ich sah, daß Klüvers, der neben dem Tontechniker kauerte, Zeichen machte, um mich zu fragen, ob sie abbrechen sollten, aber ich schüttelte den Kopf. Darauf tat er so, als schlucke er eine Pille, zog – mit Blick auf den Mann im Scheinwerferlicht – die Augenbrauen hoch und verdrehte die Augen. Ich zuckte mit den Achseln. Inzwischen war offenkundig, daß der Herrscher irgendwie high war, aber es war nicht auszumachen, wovon oder wie er sich in diesen Zustand versetzt hatte. Vielleicht konnten wir es noch herausfinden. Im Augenblick war es unwichtig. Wir hatten bereits etwas Interessantes im Kasten. Inzwischen klang das Lachen nicht mehr ganz so irre und ging langsam in ein atemloses Kichern über. Schließlich hörte es so abrupt auf, wie es angefangen hatte. Der Herrscher kam allmählich wieder zu Atem, leckte sich die Lippen und fingerte an seiner Krawatte.
Der Erste Sekretär war auf leisen Sohlen zu mir herübergekommen. »Seine Hoheit findet in der Welt manchmal zuviel zum Lachen«, flüsterte er. »Dieser Film wird natürlich mit Umsicht geschnitten werden.«
»Natürlich«, sagte ich. Und er würde in der Tat mit Umsicht geschnitten werden. Wenn er aber glaubte, Rainer oder
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