Mit der Zeit
wieder rosig, und die Lippen zuckten vor Erregung.
»Glauben Sie ihm denn, Mr. Halliday?« fragte er. »Glauben Sie vielleicht, ich sei dumm genug, einen strahlensicheren Atombunker in dreitausend Kilometer Entfernung von meinem Palast am Golf zu bauen?«
»Eure Hoheit, ich glaube nicht, daß Fragen über dummes oder vernünftiges Verhalten in einer allgemeinen Debatte über die Zivilverteidigung gegen atomare Angriffe in irgendeiner Weise relevant sind. Ich muß dennoch zugeben, die Vorstellung, Sie könnten diese Mine als strahlensicheren Atombunker benützen, erscheint eigenartig.«
»Mehr als eigenartig, würde ich sagen. Wenn es zu einem Atomkrieg kommen sollte, dann werden wir – so habe ich mir sagen lassen – vielleicht eine halbe Stunde vorher gewarnt. Wie soll ich in dreißig Minuten vom Golf hierherkommen?«
»Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen, Eure Hoheit. Aber wie gesagt, mit Vernunft hat das im Grunde nichts zu tun. Zu der Frage, wie ein Atomkrieg beginnen könnte, habe ich schon eine ganze Reihe verschiedener Szenarios gehört. Ich habe Leute sagen hören, daß der Beginn jedes größeren Krieges unter Beteiligung der Supermächte – selbst wenn sie auf die altmodische Art nur mit Panzern und Flugzeugen anfangen – für alle diejenigen, die Zugang zu irgendeinem Atombunker haben, das Signal sein würde, sich auf dem schnellsten Wege dorthin zu begeben. Auch mit dem Flugzeug. Ich versuche natürlich objektiv zu sein, und das ist bei dem Thema nicht möglich. Die Bedrohung durch einen Atomkrieg zieht verschiedene Leute in verschiedene Richtungen.«
»Und Sie?« wollte er wissen. »Wohin zieht die Aussicht auf einen Atomkrieg Sie, Mr. Halliday?«
»Eure Hoheit, ich fürchte, ich bin einer von denen, die nicht viel darüber nachdenken. Wenn es zwischen den Supermächten zu einem Krieg mit Kernwaffen kommt, dann werden – selbst bei einem begrenzten Konflikt – die meisten von uns in den dicht bevölkerten Gebieten des Westens tot sein oder innerhalb der ersten Stunde sterben.«
»Selbst wenn mit dem ersten Verhütungsschlag die Fähigkeit der anderen Seite zum ersten und zweiten Schlag zunichte gemacht wird?«
»Ich weiß nicht viel über die augenblicklich bevorzugten strategischen Ziele, Eure Hoheit. Ich weiß nicht, was zuerst drankommt, die Silos oder die Großstädte oder die U-Boote. Ich glaube allerdings, daß in jedem Atomkrieg diejenigen, die die ersten paar Stunden überleben , die Pechvögel sein werden.«
»Ich stimme Ihnen zu. Aber ich glaube nicht, daß es zu Ihrem Atomkrieg kommen wird, Mr. Halliday. Ich glaube, daß das Gleichgewicht des Schreckens sich halten wird. Die Sowjets und die Amerikaner werden sich weiterhin anstarren, und die kleinen Bombenbauer werden nervös ihre Umgebung im Auge behalten. Was ich fürchte, ist der neue konventionelle Krieg.«
»Helikoptergeschütze und Napalm, Eure Hoheit?«
»Das sind die Waffen der modernen Dschungel- und Kolonialkriege, der Buschkriege der Dritten Welt. Überwiegend jedenfalls. Wenn ich vom neuen konventionellen Krieg spreche, dann denke ich an die chemischen Waffen. Nicht die biologischen. Biologischer Fallout kann so tödlich sein wie der von Kernwaffen. Dagegen sind die neuen chemischen Waffen kontrollierbar. Mit ihnen kann man seinen Feind töten, ohne zu riskieren, daß man sich dabei selber umbringt. Man kann gezielt töten, wo immer man will, und dann die Verschmutzung beseitigen, alles wieder sicher machen. Man braucht dazu nur das nötige Wissen.«
»Im Zweiten Weltkrieg hatten beide Seiten dieses Wissen, Eure Hoheit. Und doch setzte keine Seite irgendwelche Kampfgase oder chemischen Waffen ein, obschon sie sie herstellten und zur Verfügung hatten.«
Er schnalzte verächtlich mit den Fingern. »Ich rede nicht von solchen Dingen wie Phosgen. Das waren Kindereien. Ich zähle nicht einmal Tabun zur Kategorie moderner chemischer Waffen. Ich rede vielmehr von …« Er unterbrach sich und senkte geziert den Kopf. »Aber nein, es ist vielleicht besser, wenn ich nicht von diesen Dingen rede. Ich habe nicht den Wunsch, den Leuten Angst zu machen.«
»Wir hier, Eure Hoheit, haben natürlich nicht den Wunsch, uns in geheime Angelegenheiten einzumischen oder die Leute zu beunruhigen. Ich bin sicher, daß Sie in Ihrer Stellung als Herrscher viele Geheimnisse kennen, deren Enthüllung weder der Sicherheit dienen noch im öffentlichen Interesse liegen würde. Das steht außer Frage, und ich würde nie von Ihnen
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