Mit der Zeit
außerdem im Nachteil, da ich seine Augen nicht sehen konnte, auch nicht im Rückspiegel.
»Meine ursprüngliche Bedingung war eindeutig«, sagte er, »daß der Mittelsmann nicht nur von der Produktion eines Fernsehfilms eine Ahnung haben und als Interviewer bekannt sein sollte, sondern auch, daß er ein Stümper sein sollte. Nicht völlig inkompetent, aber durchgehend drittklassig. Sie entsprachen diesen Vorstellungen hundertprozentig.«
»Ein elegantes Kompliment tut immer gut.«
Er ignorierte mich. »Bis heute. Doch heute, als Sie sich von Ihrer schwächsten Seite hätten zeigen sollen, waren Sie so gut wie bestimmt noch nie in Ihrem Leben. Man fragt sich nur, warum.«
»Solche Zufälle gibt’s immer.«
»Es sollte sie nicht geben. Sie bürden uns eine noch größere Verantwortung auf. Darf ich Sie an Ihre eigenen Worte in Stresa erinnern. Sie rechtfertigten die Hereinnahme dieses zweiten Aufnahmeteams. Sie wollten dem Herrscher ein paar idiotische Fragen stellen und von ihm ein paar weise, goldene Antworten bekommen. Das war es doch, was Sie versprachen?«
»Es tut mir leid. Damals kannte ich den Herrscher noch nicht so gut.«
»Es war zulässig, ihn auf seine Schwierigkeiten mit den österreichischen Behörden anzusprechen, aber dann, sagt mir Simone, begannen Sie ihn aufs Eis zu führen. In Ihrer cleveren Art entlarvten Sie ihn als einen reichen autokratischen Heuchler, der medizinische Kenntnisse für sich beansprucht, die er nicht besitzt. Sie stellen ihn als einen Dilettanten bloß, dem man nicht erlauben sollte, in Österreich oder irgendwo sonst eine unbeaufsichtigte Klinik gleich welcher Art zu eröffnen. Goldene Anworten, wie?«
»Es war ungeprobt. Der Mann hat sich selbst das Grab geschaufelt.«
»Aber Sie brauchten ihn nicht auch noch darin zu begraben. Es war nicht nötig, daß Sie seine hohe Erregung und Emotion manipulierten, bis Sie ihn so weit hatten, daß er in seinem Irrsinn Dinge ausplauderte, die streng geheim bleiben sollten. Sie waren schändlich verantwortungslos.«
»Machen Sie sich Sorgen um Klüvers und seine Crew?«
»Die haben nichts auf Film. Und sie haben keine gefährlichen Hintergrundinformationen. Aber Sie, Mr. Halliday, könnten glaubhaft darüber reden, so wie wir glaubhaft darüber reden könnten. Deshalb sitzen uns vier Rasmuk-Leute im Nacken, die sich überlegen, wie sie uns am besten umbringen können, wenn wir diese schmale Straße, auf der die Lastwagen uns abschirmen, verlassen und auf die Autobahn müssen.«
»Sie meinen, ich stehe jetzt auch auf deren Liste, so wie der Rest der Familie?«
»Wenn Sie nicht schon auf der Liste stehen, dann kommen Sie bald drauf. Jawohl, selbst diese Schlächter dahinten könnten schon davon erfahren haben. Sie haben ihre Funkgeräte nicht umsonst. Ich mache Simone den Vorwurf, daß sie sich hinter meinem Rücken mit Ihnen zusammengetan hat.«
»Unsinn«, sagte sie gereizt. »Die Welt muß erfahren, daß der Herrscher ein mordgieriger Verrückter ist und eine Gefahr für die Weltöffentlichkeit. Aber wie soll jemand davon erfahren, wenn es weit und breit keinen gibt, der den Mut hat, die Beweise zu sichern?«
»Phrasen, Simone, das weißt du ganz genau. Der Herrscher hat keine echte Macht, er ist bloß eine Nervensäge.«
»Sie denken allmählich wie ein alter Mann, Patron. Heutzutage können solche Nervensägen Kriege auslösen.«
Ich ging hastig dazwischen. Sie begann wieder, den Blick von der Straße zu nehmen. »Übersehen Sie nicht beide etwas?« fragte ich. »Der Erste Sekretär glaubt doch, er habe den Film von dem Interview.«
Zander sagte: »Ha! Glauben Sie denn, es genügt ihm, daß Sie ihm Ihr Wort gegeben haben? Ich will Ihnen etwas sagen. Wenn da nicht dieser österreichische Sicherheitschef gewesen wäre, hätte überhaupt kein Film das Petrucher-Grundstück verlassen. Wir alle, auch die Holländer, wären gründlich durchsucht worden. Aber der Österreicher hatte Angst. Er hatte die ORF-Wagen unten an der Straße warten sehen. Das Blinklicht auf deren Autodach kann nur von der Polizei bewilligt werden. Er dachte, Sie oder die Holländer könnten eine offizielle Beschwerde einreichen.«
»Dann habe ich ja doch etwas richtig gemacht. Ich habe die ORF-Fahrzeuge mit ihrem Blinklicht herbestellt. Sie sollten mir dankbar sein, Patron. Sie sollten mir dafür danken, daß Sie statt der goldenen Worte goldene Taten bekommen haben.«
Meine Frechheit schien ihm zu gefallen. »Na gut. Ich danke Ihnen vielmals, Mr.
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