Mit der Zeit
sich durch weiteres Reden nicht mehr reparieren.«
»Wie ist Marcuse da hineingeraten?« fragte ich.
Die Frage wurde mit einem flüchtigen Lächeln belohnt. Er pochte auf die Akte. »Ich habe hier einige Schlagworte und Slogans, die von der terroristischen Neuen Linken geprägt wurden, als Marcuse noch ihr Guru war. Materieller Wohlstand wird beispielsweise zum ›Konsumterror‹, wenn Sie einen Brandbombenanschlag auf ein Warenhaus rechtfertigen wollen. Und wenn Ihnen für eine Gewalttat keine bessere Entschuldigung einfällt als ihr Bedürfnis, diese Tat zu begehen, dann erklären Sie einfach: ›Nur reden und nicht handeln heißt schweigen.‹ So sehen die blödsinnigen Pseudo-Paradoxe aus, die Netschajew mit Vorliebe erfand. Aber wir dürfen derartigen Unsinn nicht leichtfertig abtun. Unausgegorene Idiotie kann gefährlich sein. Die erste große Terroristenwelle, die in den 1870er Jahren einsetzte, wurde von denen vorangetrieben, die glaubten, sie könnten die europäische Gesellschaft mit der Waffe des Meuchelmords zerstören. Und neunzehnvierzehn hatte eine winzige Gruppe von Terroristen in Sarajewo beinahe Erfolg. Es gibt Historiker, die sagen, sie hatten Erfolg.«
»Die hatten nicht die Absicht, den Ersten Weltkrieg vom Zaun zu brechen, Mr. McGuire. Das waren keine Anarchisten. Ihnen ging es darum, Bosnien und die Herzegowina zu befreien.«
»Und der PLO geht es darum, Palästina zu befreien. Diese Leute könnten trotzdem versehentlich den Dritten Weltkrieg auslösen.« Er vereitelte meine Versuche, weitere Einwände anzubringen, indem er die Stimme anhob. »Ja, ich weiß. Die offizielle Führungsmannschaft der PLO würde ein solches Versehen für die endgültige Katastrophe halten. Aber das ist nicht das Entscheidende. Die wirkliche Macht liegt in den Händen derer, die die katalytische Fähigkeit besitzen, Überreaktionen zu provozieren. Womit wir uns jetzt auseinandersetzen müssen, da diese zweite große Terroristenwelle einzusetzen beginnt, ist eine Bedrohung unserer Zivilisation, wie es sie in dieser Art und in diesem Umfang noch nie gegeben hat. Und der Westen wird dieser Bedrohung weiterhin eigenartig hilflos gegenüberstehen. Wenn die politischen Institutionen im Westen nicht bereit sind, noch einmal den furchtbaren Preis einer Bewegung zum Faschismus und zum korporativen Polizeistaat hin zu zahlen, werden sie schon sehr bald funktionsunfähig sein. Sie werden dann zur Ohnmacht provoziert worden sein.« Er las das natürlich wieder wörtlich aus seinen Unterlagen ab, aber er war Schmierenkomödiant genug, um eine Hand und einen warnenden Zeigefinger zu heben, ehe er weiterredete. »Sie meinen wohl, ich trage zu dick auf oder mache gar Scherze? Dann hören Sie sich noch einmal den Gründungsvater der Bewegung an. Ich zitiere: ›Wir haben‹, schrieb Netschajew, ›einen einmalig negativen Plan, den niemand modifizieren kann – die totale Zerstörung.‹ Das ist deutlich genug, oder? Nun, wir wissen, was seine Gefolgsleute der ersten Welle anstellten. Können Sie sich vorstellen, was in naher Zukunft geschehen könnte, angesichts der technischen Möglichkeiten, die diesen feinen jungen Wahnsinnigen der zweiten Welle zur Verfügung stehen?«
Selbst ein McGuire muß gelegentlich Atem holen, und diesmal unterbrach ich ihn entschlossen genug, um mir seine Aufmerksamkeit zu sichern. »Mr. McGuire«, sagte ich laut und wartete dann, bis ich seine volle Aufmerksamkeit hatte, ehe ich fortfuhr. »Mr. McGuire, ich bin sicher, Sie und Ihre Klienten haben ganz entschiedene Ansichten über den internationalen Terrorismus, aber ich muß Ihnen schon sagen, daß Sie bisher noch nichts gesagt haben, was nicht schon ein dutzendmal vorher gesagt worden wäre. Zu dem Thema gibt es bereits eine Menge Bücher, viele davon genauso entrüstet, wie Ihr Memorandum hier zu sein scheint. Die Kraftproben von Entebbe und Mogadischu haben sogar die Filmer auf den Plan gerufen. Als ernsthafter Forschungsgegenstand ist der internationale Terrorismus im besten Falle eine fragwürdige Angelegenheit. Für mich ist das Thema jedenfalls ein alter Hut, und langweilig dazu.«
Für einen richtigen Verlagsbevollmächtigten wäre damit der Fall sicher erledigt gewesen. Seine Antwort wäre höflich, aber knapp ausgefallen. Wenn mich der Terrorismus so sehr langweilte, daß ich nicht mal neugierig genug war, zu erfahren, wie und warum mir ein paar Wochen Herausgeberarbeit plötzlich mit fünfzigtausend Dollar honoriert werden konnten,
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