Mit der Zeit
annähernd kugelsicher sein. Nicht ganz, aber annähernd. Dieser Wagen hat auch eine gepanzerte Karosserie. Warum? Nun ja, unsere Familie ist zwar nicht das, was man wohl in Amerika reich nennt, aber hier in Italien könnte man uns für reich halten. Mit anderen Worten, wir als Familie könnten zusammen mit dem Teil des Familiengeschäftes, der immer noch uns gehört, genügend Bargeld von unseren Banken und von Syncom beschaffen, um uns zu einer lohnenden Zielscheibe für professionelle Kidnapper zu machen. Deshalb sind wir alle sehr vorsichtig, und wir erkaufen uns die Sicherheit in dem Umfang, in dem wir uns das leisten können. Wir haben alle unser Hauspersonal einer strengen Sicherheitsprüfung unterzogen. Wir haben uns für unseren persönlichen Schutz die Dienste einer Spezialfirma gesichert, und unsere Chauffeure sind nicht nur als Leibwächter ausgebildet, sondern beherrschen auch spezielle Fahrtechniken zur Abwehr von Überfällen. Sie haben eine Schule besucht, die ausschließlich diese Fertigkeiten vermittelt. Alfredo ist heute abend unser Fahrer. Sollte er etwas auf der Straße sehen, was auch nur entfernt einer Straßensperre ähnelt, müßten wir uns schnellstens nach einem festen Halt umsehen, denn wir würden dann plötzlich mit fast unveränderter Geschwindigkeit rückwärts fahren, oder wir würden das Hindernis in voller Fahrt rammen. Da die Kotflügel vorne gepanzert sind, würden wir praktisch nichts einbüßen, außer ein bißchen Lack. Wir haben noch zwei weitere wie Alfredo geschulte Fahrer, und sie wechseln einander nach einem bestimmten Dienstplan ständig ab. Die Männer der Familie werden in ihre Büros gefahren, die Kinder in ihre Schulen und so weiter. Die Fahrtrouten werden laufend geändert. Meine Frau hat selber einen dieser Fahrkurse für Verrückte mitgemacht, um mit ihrem eigenen Wagen ein wenig unabhängiger zu sein. Aber in den meisten Fällen sind es Alfredo, Franco und Bernardo, die das Fahren für uns übernehmen. Das heißt bis vor zwei Wochen.«
Er brach ab, um auf die Stadt hinauszustarren, der wir uns näherten, als erwarte er, etwas Neues im Regen zu entdecken. Nach einem kurzen Achselzucken redete er weiter.
»Zwischen hier und Rom schicken wir unsere Post per Kurier, so daß wir genau wissen, wann Syncom unseren Brief bezüglich des Luccio-Buches erhalten hat. Es war an dem Dienstag. An dem Freitag, drei Tage später, hatte Bernardo die Tagschicht, die um sieben Uhr endete. Danach hatte er – wie sie alle einmal in der Woche – sechsunddreißig Stunden dienstfrei. Er holte also seine Lambretta aus meiner Garage und fuhr los. Nicht weit von dem Häuserblock, in dem er mit seiner Frau und Familie zur Miete wohnt, wurde er von einem Auto angefahren. Er wurde dabei nur leicht verletzt, aber als er sich aufrappeln wollte, kamen aus dem Auto, das angehalten hatte, zwei Leute auf ihn zugelaufen und fingen an, ihn zusammenzuschlagen. Nachbarn haben die Szene beobachtet und ausgesagt, daß ihn die Angreifer mit schweren Stöcken und ihren Füßen traktierten. Sie sagten auch, einer der Angreifer könnte eine Frau gewesen sein, ein Mädchen. Es war rasch vorüber. Einer der Angreifer wurde noch dabei beobachtet, wie er, kurz bevor sie wegliefen, etwas in Bernardos Anoraktasche steckte. Bernardo war noch nicht wieder bei Bewußtsein, als der Krankenwagen kam. Unter anderem hatte er einen gebrochenen Kiefer. Wir müssen hoffen, daß er wieder vollständig gesund werden wird.«
»Was war das denn, was sie ihm in die Tasche gesteckt haben?« fragte ich.
Er sah mich scharf an. »Sie wollen nicht wissen, wer es gewesen ist oder ob einer von ihnen erwischt wurde?«
Ich hätte ihm antworten können, daß ich mich langsam an die drolligen Methoden gewöhnte, mit denen Zander auf sich aufmerksam machte, wenn er einem etwas mitteilen wollte. Er schickte dir eine Bombe aus Miami, oder er gab sich einen durchsichtigen Decknamen, den er dir auf dem Umweg über einen arglosen Wall-Street-Anwalt mitteilte, oder er brachte einen deiner Angestellten ins Krankenhaus. Ich antwortete ihm aber nicht so hart, denn in dem Moment empfand ich nicht nur Mitleid mit Bernardo, sondern auch Dank dafür, daß ich dem Mann neben mir meine inzwischen gar nicht mehr komische Bombengeschichte erspart hatte. So sagte ich nur: »Schlägertypen dieser Sorte werden fast nie erwischt. Wahrscheinlich benützten sie ein gestohlenes Auto, das man später irgendwo fand. Es ist eine schmutzige Geschichte, aber sie
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