Mit der Zeit
ihre Memoiren zu schreiben und darin die Leute beim Namen zu nennen. Einer von denen, die sie auf diese Weise zu erpressen versuchte, war der große Duke of Wellington. Seine Antwort war ›Laß es meinetwegen drucken und geh zum Teufel‹, wenn ich mich recht erinnere.«
»Die Antwort wird ihm zugeschrieben, ja. Aber eine ganze Reihe ihrer anderen alten Freunde kauften sich aus ihren Memoiren frei. Harriette machte wirklich etwas daraus. Sie lebte jahrelang davon.«
»Die Gesetze in punkto übler Nachrede sind heute strenger.«
»Aber die Opfer einer derartigen Erpressung haben immer nur widerstrebend die Hilfe des Gesetzes in Anspruch genommen, Mr. McGuire. Und das ist heute noch so. Mit Memoiren läßt sich immer noch wirkungsvoll drohen, glauben Sie mir.«
»Warum sollten Sie in Dr. Luccio einen Erpresser sehen?«
»Ich vermute überhaupt nichts in ihm. Ich weiß nur das, was Sie mir erzählt haben. Er ist irgendwie ein Fachmann in Sachen Terrorismus. Vermutlich sind ihm also eine Menge Terroristen persönlich bekannt. Wie gesagt, die verlangte Gegenleistung oder Gefälligkeit muß nicht unbedingt finanzieller Art sein. Sein Preis dafür, daß er bestimmte Namen wegläßt, könnte so aussehen, daß er Schutz vor denen verlangt, deren Namen er nicht wegläßt. Ich weiß es nicht. Ich klage hier niemanden an. Ich sage nur, daß ich zwar bereit bin, einen bezahlten Auftrag anzunehmen, daß ich aber nicht bereit bin, bei irgendwelchen dunklen Machenschaften mitzuspielen. Wie Ihnen meine Agentin bestätigen wird, habe ich Garantien, die dieses Risiko ausschalten, schon öfter verlangt und auch erhalten. Gewöhnlich sind die Verlage mehr als bereit, mir in diesem Punkt entgegenzukommen. Falls das hilft, kann Ihnen meine Agentin den Wortlaut einer Klausel geben, die sich für beide Seiten als akzeptabel herausgestellt hat.«
Er machte eine Notiz davon in seiner Akte. »Na schön. Wir werden sehen, was Pacioli dazu zu sagen hat. Ich kann denen also sagen, daß Sie – unter Einschluß der zwei Befreiungsklauseln, um die Sie gebeten haben – bereit sind, einen Vertrag abzuschließen?«
»Ja, ich glaube schon.«
Mein Wagen stand auf einem Parkplatz ein paar Straßen vom Hollandtunnel entfernt, aber anstatt auf dem direkten Wege nach Hause zu fahren, nahm ich ein Taxi und fuhr stadteinwärts zu Barbaras Büro. Es waren nicht nur die Schuldgefühle, die ich ihr gegenüber empfand. Ich hatte noch etwas anderes zu erledigen, was sich nicht verschieben ließ.
Sie freute sich leidlich, als ich auftauchte, und lebte ein wenig auf, als ich ihr die Sitzung mit McGuire schilderte. Aber wie ich erwartet hatte, war sie gar nicht entzückt darüber, daß ich bereit war, auf die zweite Hälfte des Honorars zu verzichten, falls das Gutachten über die Netschajew-Abhandlung negativ ausfiel.
»Ich akzeptiere Ihre Einstellung, was die Echtheit des russischen Manuskripts angeht. Wir können es uns nicht leisten, daß Sie in eine Sache verwickelt werden, die nicht absolut sauber ist. Aber warum sollte Sie die Strafe treffen, wenn es sich tatsächlich als eine Fälschung erweist?«
»Es ist mir einfach so rausgerutscht. Ich habe wohl versucht, ihn als kleinlich hinzustellen.«
»Leute wie er fühlen sich nie kleinlich.«
»Können Sie es nicht dadurch wieder hinbiegen, daß Sie durchblicken lassen, ich könnte ohne weiteres meine ganze Arbeit in gutem Glauben erledigt haben, bevor die Experten sich endlich entschließen, die ganze Sache auffliegen zu lassen?«
»Vielleicht. Aber Sie haben wirklich ein Talent dazu, die Dinge unnötig zu erschweren, Robert.«
»Tut mir leid.«
»Wie sind Sie denn nun verblieben?«
»Er wird gleich morgen früh mit Mailand telefonieren, denn die haben jetzt mitten in der Nacht, und wenn die dann zustimmen, wie er das erwartet, ruft er Sie wegen des genauen Wortlauts der Zusatzklauseln an.«
»Gut. Wenn Sie ein paar Minuten warten, bis ich meinen Schreibtisch aufgeräumt habe, lade ich Sie zu einem Drink ein.«
»Ich habe ohnehin noch was bei Brentanos zu erledigen.«
»Dann treffen wir uns in einer Viertelstunde unten am Eingang.«
Der Bereich, in dem die Nachschlagewerke stehen, gehört in den meisten großen Buchhandlungen zu den ruhigeren Ecken. Mehr als ein, zwei Leute stöbern da selten herum. Diesmal, am späten Nachmittag, hatte ich die ganze Abteilung für mich allein.
Was ich suchte, war ein Italienisch-Lexikon; nicht eines dieser für Touristen gemachten Taschenwörterbücher,
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