Mit der Zeit
reinstürzen, die Leute aus dem Gleichgewicht bringen, in die Defensive zwingen. Wir wissen, wie sich diese Show verkaufen läßt – da muß gehörig Blut fließen. Stimmt’s? Sorgen wir aber dafür, daß die bluten, nicht Sie . Okay, Killer?«
Doch es war nie okay. Ich mühte mich mit einem Job ab, zu dem ich kein Talent hatte, und auch wenn sie hinterher noch so geschickt redigierten, ließ sich diese Tatsache nicht verschleiern. Zu sehen bekam man eine Reihe umgänglicher Politiker, die sich gutmütig einem mürrischen und manchmal unverschämten Interviewer stellten, der nie irgendwelche Fakten zu haben schien, um seine verantwortungslosen Behauptungen zu beweisen. Die Politiker standen am Schluß immer gut da. Der Interviewer, von dem mit der Zeit immer weniger zu sehen war, stand meistens verdrießlich oder einfältig da. Wenn einer Blut vergoß, dann immer ich, und das gleich literweise.
Ich verschwendete keine Zeit mit Überlegungen, wie Zander-Luccio auch nur eines dieser Interviews gesehen haben konnte – wenn er Bombenbastler in Miami anheuern konnte, dann konnte er sich, mutmaßlich, auch Aufzeichnungen amerikanischer Fernsehprogramme besorgen –, aber an dem wahrscheinlichsten Grund für sein Interesse an diesen Sendungen war unmöglich vorbeizukommen. Meine Unfähigkeit als TV-Interviewer konnte für einen Mann durchaus reizvoll sein, der daran dachte, einen Mitarbeiter einzustellen, der nur dämlich genug sein mußte, um später als Sündenbock dienen zu können.
Ich hörte ein Klopfen an der Wohnzimmertür und dann das Geräusch einer aufgehenden Tür. Eine Stimme sagte: »Prego«, und dann wurde hörbar etwas auf den Boden gestellt. Ich nahm an, daß mein Gepäck hereingebracht wurde. Ich trocknete mir gerade im Bad die Hände ab und bewunderte die Äderung im Marmor am Waschbecken, und so rief ich nach draußen: »In camera da letto, per favore«, in der Hoffnung, damit verständlich gemacht zu haben, daß ich das Gepäck im Schlafzimmer haben wollte. Als niemand antwortete, legte ich das Handtuch weg, griff nach meinem Jackett, in dem das italienische Geld war, das ich für Trinkgeld brauchen würde, und ging nach draußen ins Wohnzimmer.
Außer meinem Gepäck, das auf einen Kofferkuli geladen war, stand dort ein großer hoteleigener Wäschewagen und daneben zwei Leute in Portiersmänteln, in die Namen und Wappen des Hotels gestickt waren. Es hätten Italiener sein können, aber sie sahen ganz und gar nicht wie Hotelportiers aus. Das eine war ein schlanker, lächelnder junger Mann, das andere ein stämmiges Mädchen im Teenager-Alter. Eine dritte Person verriegelte gerade die Tür, die auf den Gang hinausführte. Das Mädchen war groß, dunkelhaarig und auffallend hübsch. Als sie sich umdrehte, sah ich, daß sie einen Revolver auf mich richtete. Mit dem Revolver und in ihrem Unisex-Anzug aus schwarzer Hose und Pullover sah sie wie die Titelheldin eines Comics aus, der SUPERPERSON heißen mußte.
»Guten Abend, Mr. Halliday.« Ihr Englisch hatte einen schwachen Akzent und erinnerte an Stimmbildungskurse. »Bitte tun Sie absolut nichts, dann bleiben Sie heil und gesund.«
Sobald sie den Revolver in ihre Schultertasche zurücksteckte, rührten sich die zwei anderen. Sie waren sehr schnell. Bevor ich den Mund aufmachen und eine Frage stellen konnte, hatte mich der junge Mann in einer Armfessel; zusammengekrümmt mußte ich vorwärts torkeln, so daß mir das stämmige Mädchen die Beine wegziehen konnte. Mit dem Gesicht nach unten, knallte ich auf den Boden, und der Aufprall verwandelte den Wutschrei, den ich gerade hatte von mir geben wollen, in ein gedämpftes Jaulen. Der Armfesselexperte, der auf meinem Rücken saß, griff sich sofort einen meiner Füße und stellte irgend etwas mit seinem Knie an, das mich vollkommen unbeweglich machte. Ich wußte, daß die Frau nun neben mir kniete, denn sie hatte angefangen, dem Mädchen Befehle zu erteilen. Die Sprache klang zwar ein bißchen wie Arabisch, war es aber nicht, obschon ich sagen muß, daß ich nicht sehr sorgfältig zuhörte. Ich war ganz von dem Bewußtsein in Anspruch genommen, daß starke Finger emsig meinen linken Hemdsärmel hochkrempelten.
Eine letzte Salve von Befehlen, dann erschien die Schultertasche auf dem Teppich, keinen halben Meter von meinem linken Auge entfernt. Dinge wurden herausgenommen. Einer Wegwerfpackung mit einer Spritze zur subkutanen Injektion folgten in meinem Blickfeld ein Plastikfläschchen mit einem
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