Mit der Zeit
Bequemlichkeit verwenden die meisten europäischen Polizeibehörden und Interpolbüros die Abkürzung Rasmuk und registrieren ihre Aktivitäten in ihren Unterlagen über das organisierte Verbrechen. Wie ich Rasmuk beschreiben würde? Na ja, es ist eine Geheimorganisation oder möchte es jedenfalls sein, und es ist eine Art von Nachrichtendienst. In Wahrheit ist es eine internationale Bande, die nur auf Kontraktbasis und für das große Geld arbeitet und sich auf Erpressung, Einschüchterung und Mord spezialisiert hat. Dieser Code-Name ist eine Anspielung auf ihre Geschichte. Haben Sie während Ihrer Journalistentätigkeit im Mittleren Osten je von einer gewalttätigen Organisation namens Rasd gehört?«
»Sie meinen die palästinensische Mafia?«
»Es waren zwar anfänglich vor allem Palästinenser, aber Mafia-Charakter hatte das Ganze zunächst nicht. Die Rasd kam frisch und unverbraucht aus den Flüchtlingslagern. Sie begann als ein geheimes Strafkommando von Eiferern mit dem Ziel, diejenigen aufzuspüren und zu bestrafen, die zu bestimmten Einsätzen ins Ausland geschickt worden waren und dann zu Verrätern an der Sache wurden. Meistens bestand der Verrat daraus, daß die von den Getreuen aufgebrachten Geldmittel gestohlen oder auf andere Weise mißbraucht wurden. Einige der Verräter wurden hingerichtet. Andere wurden gezwungen, mehr zurückzuzahlen, als sie gestohlen hatten. Dann fing die Rasd, ganz logisch, selber an Gelder aufzutreiben. Am Ende wurde auch sie korrupt. Sie kaufte sich in Nachtklubs, Spielkasinos und Bordellen ein. Alles im dekadenten Westen, versteht sich. Bald erzielte sie riesige Gewinne und verbrauchte sie für einen aufwendigen Lebensstil. Für das Image und die Kampfmoral der Palästinenser war das natürlich Gift. Schließlich griff die PLO energisch durch. Etliche Köpfe rollten. Die Rasd wurde bloßgestellt und diskreditiert.«
»Aber nicht vollständig aufgelöst, wenn ich mich recht erinnere.«
»Nicht vollständig, nein. Nach der Säuberungsaktion hörte sie auf, als eine akzeptierte Palästinensergruppe zu existieren, und der größte Teil der flüssigen Mittel wurde von den Rechnungsführern der PLO beschlagnahmt. Das betraf aber nicht alle Vermögenswerte, denn bei einigen Dingen waren die Eigentumsverhältnisse wirkungsvoll verschleiert worden. Da gab es beispielsweise Immobilien. Die blieben im Besitz der, wenn ich sie mal so nennen darf, Elite der nicht-palästinensischen Spezialisten für die Dreckarbeit. Mitte der siebziger Jahre hatte es die Rasd geschafft, Unerwünschte und Ausgestoßene aus zehn, zwölf verschiedenen Nationen zu rekrutieren. Es waren Zyprioten, Ungarnflüchtlinge, Malteser, Marokkaner, Ägypter, eine höchst kosmopolitische Sammlung. Ein Artikel im Paris Match nannte sie ›ein teuflisches Gebräu aus den verschiedensten Talenten‹. Das einzige, was ihnen jetzt noch fehlte, war eine erfahrene Führungsspitze. Die neue Mannschaft, die zu ihnen stieß, kam aus meinem Land.«
»Stört Sie das?«
Er lächelte. »Ich hätte sagen sollen, auf dem Umweg über mein Land, nicht aus ihm. Die beiden Männer, um die es geht, sind Kroaten. Sie sind vor einigen Jahren zum Arbeiten nach Westdeutschland gekommen. Ihre Arbeitserlaubnis wies sie als gelernte Schweißer aus. In Wahrheit waren sie gelernte Schieber und Schmuggler. In der Gegend Jugoslawiens, aus der diese beiden stammen, müssen Kriminelle äußerst clever sein, um zu überleben. Mein Land muß ihnen am Anfang problemlos vorgekommen sein. Als es schwieriger für sie wurde, zogen sie weiter in den Süden und nahmen ihre deutschen Frauen mit. In Rom fanden sie die Reste der Rasd, die nur darauf warteten, von fähigen und ideenreichen Männern übernommen zu werden. Sie erkannten die Möglichkeiten. Rasd wurde zum Mukhabarat-Zentrum und begann, sich nach einer neuen Kategorie von Geschäften umzusehen.«
»Im Mittleren Osten?«
»Dort finden sie den Markt und das Geld in der Größenordnung, in der sie sich ihre Dienste bezahlen lassen. Sie änderten ihren Namen gleich zweimal. Eine Zeitlang nannten sie sich ›Democratic Liberation Executive‹, doch offensichtlich wurde ihnen schon bald gesagt oder durch Reaktionen potentieller Kunden deutlich gemacht, daß diese Bezeichnung für den Markt, in dem sie tätig waren, zu idealistisch und zuwenig geschäftsmäßig klang. Und so entschieden sie sich für › Mukhabarat-Zentrum‹. Wir ziehen unseren kurzen Code-Namen ›Rasmuk‹ vor. Für Rasmuk, das kann
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