Mit der Zeit
Publicity. Sobald er ein Fernsehteam sieht, schlägt sein Herz höher. Und dann entdeckt er auch noch, daß Sie ein amerikanischer Journalist sind.«
»Wie?«
»Durch die Visa in Ihrem Paß. Daraufhin fragt er Jean-Pierre, der hier als französischer Chef von Ortofilm aufgetreten ist, weshalb wir hier sind und was wir vorhaben. Jean-Pierre erzählt ihm die abgesprochene Geschichte. Wir sind hier, um den Herrscher in seiner für ihre Heilkraft berühmten Mine zu besuchen und für eine amerikanische Fernsehgesellschaft zu interviewen.« Sie hob beide Hände. »Es hätte nicht schlimmer kommen können.«
»Hat Jean-Pierre seinen Text vergessen?«
»Er sagte das, was für ihn vorbereitet worden war.«
»Dann kann ich Ihnen nicht folgen. Was ist schiefgelaufen?«
Sie setzte sich abrupt hin. »Zu viele Dinge sind schiefgelaufen, und der Herrscher hat es nicht für nötig gehalten, uns über diese Dinge zu informieren, obwohl sie den von ihm selbst gewählten Ort für das Treffen gefährden.«
»Was für Dinge denn?«
»Es sind so viele.« Sie stand auf und zählte sie, während sie wie ein Panther im Zimmer umherging, an ihren Fingern ab. »Erstens gibt es in Österreich ein Gesetz, das die Errichtung neuer Bauten in den Bergen und Hochtälern einschränkt. Es geht um die Erhaltung der natürlichen Schönheiten, um den Schutz der Umwelt. Ein neues Haus darf nur dort gebaut werden, wo ein altes gestanden hat. Wenn also jemand in einer schönen Landschaft bauen will, kauft er zuerst ein altes Haus.«
»Was ja der Herrscher getan hat.«
»Aber nicht in der Absicht, ein gewöhnliches Haus zu bauen.«
»Ich verstehe. Die Behörden wenden sich gegen seinen Plan, statt dessen eine Klinik zu bauen.«
»Nein. Die Behörden wenden sich vielmehr gegen seine Weigerung, ihnen das, was er plant, zur Genehmigung vorzulegen. Zweitens beharrt er darauf, französische Bergbauingenieure zur Überwachung der verschiedenen Arbeiten ins Land zu holen; da werden die tiefliegenden Stollen restauriert, elektrische Pumpen installiert und alles wird sicherer gemacht. Drittens will er eine offizielle Inspektion der Mine nicht mehr zulassen. Viertens hat er bisher für die Klinik über der Mine fünf Architekten angestellt. Vier von ihnen hat er entlassen. Alle sind Ausländer gewesen, ein Italiener, drei Deutsche, und der jetzige ist Schweizer. Von seinem Entwurf ist noch nichts bekannt, aber einer der gefeuerten Deutschen hat mit der deutschen Presse gesprochen. Was er sagte, war, der Herrscher wolle keine Klinik, sondern eine Art Palast. Er sagte außerdem, was vielleicht inmitten einer Wüste sehr romantisch aussehen würde, wäre für Petrucher äußerst anstößig und absurd.«
»Petrucher? Heißt so das Dorf?«
»Nein, so heißt die Mine. Johannes Peter Petrucher war jener Amateurarchäologe, der die aufgegebene Mine kaufte und das Haus und Museum baute, das der Herrscher einreißen wird. Bis zum nächsten Dorf sind es zwei Kilometer. Petrucher liegt ziemlich isoliert. Ich habe Bilder davon gesehen. Es sind eine Menge Bäume und dieses alte Gebäude an einem Hang. Ein ausgesucht schöner Fleck ist das bestimmt nicht.«
»Aber die Behörden tun so, als ob es das wäre , weil dieser Ausländer, der Herrscher, sich weigert, die Bestimmungen einzuhalten und seine Pläne einzureichen, bevor er zu bauen beginnt. Ja, ich verstehe langsam. Ich wette, er hätte zu Beginn jedes beliebige Bündel an Plänen einreichen können, um sie dann später in aller Stille abzuändern. Aber das ist wohl nicht der Stil des Herrschers.«
»Hat Ihnen der Patron nicht von seinem Stolz erzählt?«
»Er ist hier nicht im Golf. Warum gehen sie mit ihm nicht vor Gericht?«
»Er beschäftigt fünf Wiener Rechtsanwälte. Außerdem hält er sich einen Juraprofessor, der zwei OPEC-Länder vom Golf in Menschenrechtsfragen vor dem Internationalen Gerichtshof vertreten hat.«
»Was haben Menschenrechte mit dieser Geschichte zu tun?«
»Der Herrscher behauptet, daß sich die Regierung des österreichischen Bundeslandes Steiermark in sein Privatleben einmischt oder einzumischen versucht. Insbesondere weigert er sich, anzuerkennen, daß die Medien – ob Fernsehen, Rundfunk oder Presse, spielt keine Rolle – irgendein Recht haben, ihm, seinen Bediensteten oder anderen Angestellten oder seinen Rechtsvertretern Fragen zum Thema seines persönlichen Besitzes zu stellen, ganz gleich, wo sich dieser Besitz befinden mag. Er hat alle Bitten um Statements und Interviews
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