Mit der Zeit
gesetzt wurden. Chihani und ich wurden von Zander angewiesen, aus unseren Kühlschränken Whisky und Soda zu holen und dann auf sein Zimmer nachzukommen.
Als wir eintrafen, hatte Vielle bereits die Karte für Lieutenant-General Sir Patrick Newell, KCB, CBE, DSO, MC, aus der Nato-Kartei gezogen, und Zander befaßte sich eingehend mit einer Fotografie des Mannes. Vielle las laut von der Karte ab.
»Geboren: 1931. Ausbildung: Wellington College und Royal Military Academy in Sandhurst. Ging zu den Royal Regiment Fusiliers, wechselte später zu The Parachute Regiment. Kriegsdienst in Korea, Malakka, Zypern, Aden. Dann sind Beförderungen mit dem jeweiligen Datum angegeben und eine Abkürzung aus drei Buchstaben – p. s. c.«
»Das heißt, daß er den Kurs auf der britischen Generalstabsakademie in Camberly bestanden hat«, sagte Zander. »Was es sonst noch über ihn aussagen könnte, weiß ich nicht.«
»Hier stehen auch verschiedene Aufträge und Kommandos, die er übernommen hat. Einige dieser Abkürzungen verstehe ich nicht.«
»Die einzige«, sagte ich, »die zählt, ist doch gewiß die letzte. Militärischer Stellvertreter des Oberbefehlshabers der Nato Strike Force South.«
Zander blickte auf. »Das werden Sie hier nicht finden. Diese Angaben stammen aus veröffentlichten Quellen. Militärischer Stellvertreter ist nur eine Umschreibung für den Nachrichtendienst des Nato-Militärausschusses. Nato veröffentlicht keine Namen von ranghohen Offizieren, die im Rahmen ihrer Aufgaben vertrauliche Berichte an den Militärausschuß und den Ständigen Rat abliefern müssen.« Er blickte wieder die Fotografie an und gab sie dann an mich weiter. »Interessantes Gesicht. Durch und durch Soldat, aber man sieht auch den englischen Gentleman.«
Chihani reichte mir einen Drink. Sie spähte mir über die Schulter, um das Bild zu sehen.
Es war eine Schwarzweißaufnahme, wahrscheinlich während eines Manövers in Deutschland aufgenommen. Er stand neben einem Panzerspähwagen und unterhielt sich mit einem anderen uniformierten Mann, der weiter im Vordergrund stand und größtenteils unscharf war, und er hatte einen Kartenbehälter vor sich an den Panzerturm gelehnt. Der General trug ein Barett und einen britischen Armeepullover. Ich konnte Zander darin zustimmen, daß das Gesicht unter dem Barett einem Soldaten gehörte und daß er möglicherweise ein Engländer war, aber ich fand gar nicht, daß er wie ein Gentleman aussah. Vielleicht hatte der Mann im Vordergrund, der Major, dem er die Streifen abriß, irgendeinen unentschuldbaren Schnitzer dadurch zu entschuldigen versucht, daß er eine noch weniger entschuldbare Lügengeschichte erzählte, aber für mich sah der General Newell auf diesem Bild wie ein miesgelaunter, rachsüchtiger, sadistischer Dreckskerl von der Art aus, die man in jeder Armee findet.
»Ein starkes Gesicht«, sagte Chihani. »Sehr gute Knochen. Und diese Falten über den Augen. Er lächelt viel. Das sieht man.«
Ich spürte plötzlich, daß es ein langer Tag gewesen war.
Neuntes Kapitel
W
ir frühstückten früh am Morgen im Hotelrestaurant, dann schickte Simone Zander und mich auf unsere Zimmer zurück. Sie wollte die Rechnungen bezahlen und alle Gespräche, soweit sie sich nicht vermeiden ließen, für uns führen. Von nun an würde es strenge Sicherheitskontrollen geben. Sie würde es beispielsweise nicht dulden, daß jemand, um Zeitungen zu kaufen, oder aus irgendeinem anderen Grund, in der Hotelhalle herumtrödelte. Sie würde den Kombi vom Parkplatz holen und draußen an einer geeigneten Stelle halten. Dann, und erst dann, wenn sie mit dem Wagen bereit stand, würden wir telefonisch angewiesen werden, mit unserem Gepäck herunterzukommen und einzusteigen.
Solange wir noch im Hotel waren, hielt sich Zander an diese Anweisungen, aber sobald wir wieder im Auto saßen und nach Osten fuhren, wollte er einen Bericht.
»Keine Probleme«, war alles, was sie sagte.
»Was ist denn das für eine Antwort? Hat man das nicht bemerkt?« Er schlug mit der Faust gegen die Tür an seiner Seite. »Den Fernsehnamen an der Seite?«
»Natürlich haben sie das bemerkt. Es erregte großes Interesse. Der Hoteldirektor fragte mich, wer ihr beide seid.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Ich sagte, daß ihr vorübergehend als Produktionsassistenten für einen französischen Produzenten und Regisseur arbeitet, derzeit damit beschäftigt, im Auftrag einer amerikanischen Fluggesellschaft Werbespots für Pauschalreisen zu
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