Mit dir an meiner Seite
und sich überlegt, wie es wäre, wenn er dieses Bett nie mehr verlassen könnte. Wenn er den Rest seines Lebens in diesem Zimmer verbringen müsste, in dem es nach Desinfektionsmittel roch, umgeben von Krankenschwestern, die er alle nicht richtig kannte.
»Nein«, antwortete er. »Voraussichtlich kann ich in ein paar Tagen nach Hause.« Und lächelnd fügte er hinzu: »Jedenfalls hoffe ich das.«
Sie drückte seine Finger. »Und dann? Wenn wir wieder fort sind?«
»Ich denke, dass ich das Fenster fertig mache. Und meine neue Komposition. Ich glaube immer noch, dass sie etwas ... etwas Besonderes ist.«
Ronnie rückte mit ihrem Stuhl ein Stück näher. »Aber wer kümmert sich um dich? Wer passt auf, dass alles in Ordnung ist?«
Er antwortete nicht gleich, sondern versuchte zuerst, sich aufzusetzen. »Ich schaffe das schon. Und wenn ich etwas brauche, rufe ich Pastor Harris an. Er wohnt nur zwei Straßen weiter.«
Im Geiste sah Ronnie den Pfarrer vor sich, mit seinen verbrannten Händen und dem Stock, wie er ihrem Vater helfen wollte, ins Auto zu steigen. Dad schien ihre Gedanken zu erraten.
»Keine Sorge - ich schaffe das schon«, wiederholte er. »Ich weiß ja schon länger, was mir bevorsteht, und wenn sich mein Zustand verschlimmert, gibt es ein Hospiz, das zum Krankenhaus hier gehört.«
Nein, das wollte sie sich auch nicht vorstellen. »Ein Hospiz?«
»Es ist nicht so schlimm, wie du denkst. Ich habe es mir angeschaut.« »Wann?«
»Vor ein paar Wochen. Und letzte Woche war ich noch einmal dort. Sie können mich sofort aufnehmen, wenn es sein muss.«
Wieder etwas, wovon sie nichts geahnt hatte. Noch ein Geheimnis, das aufgedeckt wurde. Eine Wahrheit, die das Unvermeidliche näher brachte. Ronnies Magen verkrampfte sich, ihr wurde ganz übel.
»Aber du wärst lieber zu Hause, stimmt's?«
»Ich werde zu Hause sein«, erwiderte er.
»Bis du nicht mehr kannst?«
Sein Gesicht war so traurig, dass Ronnie es kaum aushalten konnte. »Bis ich nicht mehr kann.«
Sie ging hinunter in die Cafeteria. Ihr Vater hatte gesagt, nun wolle er mit Jonah sprechen.
Wie benommen lief sie den Flur entlang. Es war schon fast Mitternacht, aber in der Notaufnahme war wie immer viel Betrieb. Sie kam an verschiedenen Behandlungszimmern vorbei, die Türen standen offen. Sie sah weinende Kinder mit aufgeregten Eltern und eine Frau, die sich ständig übergeben musste. Krankenschwestern eilten hin und her, holten sich die Patientenkarten bei der Zentrale oder lieferten sie dort wieder ab. Erstaunlich, dass so viele Leute mitten in der Nacht krank wurden. Morgen früh waren die meisten von ihnen garantiert wieder zu Hause. Nur ihr Vater musste bleiben.
Ohne große Eile schlängelte sie sich durch den voll besetzten Warteraum und ging zur Eingangshalle, von der aus man in die Cafeteria kam. Als sich die Tür der Notaufnahme hinter ihr schloss, ließ der Geräuschpegel sofort nach, und sie hörte ihre eigenen Schritte. Und ihre Gedanken. Ach, sie war so erschöpft, dass ihr vor Müdigkeit fast schlecht wurde. Hier kamen die Menschen her, wenn sie krank waren, hier kamen sie her, um zu sterben - und ihr Vater würde bald wieder hierherkommen.
Ihre Kehle war so trocken, als sie die Cafeteria betrat, dass sie kaum schlucken konnte. Sie rieb sich die brennenden, geschwollenen Augen und nahm sich fest vor, die Fassung zu bewahren. Die Theke war um diese Zeit schon geschlossen, aber am anderen Ende des Raums gab es mehrere Automaten. Zwei Krankenschwestern standen dort plaudernd und tranken Kaffee. Will und Jonah saßen an einem Tisch bei der Tür. Als Ronnie näher kam, blickte ihr Freund hoch. Auf dem Tisch stand eine halb leere Wasserflasche, außerdem ein Tetrapak Milch und eine Packung Kekse für Jonah. Ihr kleiner Bruder drehte sich zu ihr um.
»Das hat ganz schön lange gedauert«, maulte er. »Was ist los? Geht es Dad besser?«
»Ja, ein bisschen«, antwortete Ronnie. »Aber er möchte gern mit dir reden.«
»Worüber denn?« Jonah legte seinen Keks auf den Tisch. »Ich habe doch nichts angestellt, oder?«
»Nein, keine Sorge, es geht nicht um dich. Dad will dir nur erklären, was mit ihm los ist.«
»Warum kannst du mir das nicht sagen?« Er klang verängstigt, und Ronnie bekam Beklemmungen.
»Weil er allein mit dir reden will. So wie er gerade mit mir gesprochen hat. Ich begleite dich und warte vor der Tür, einverstanden?«
Jonah stand auf. »Cool«, sagte er.
Will saß immer noch reglos auf seinem
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