Mit dir an meiner Seite
konnte kaum schlafen. Die ganze Nacht hörte er, wie sich Ronnie nebenan hin und her wälzte. Er kannte diesen Zustand aus eigener Erfahrung. Als wäre es gestern gewesen, so genau erinnerte er sich an die dumpfe Benommenheit und an die Schuldgefühle nach Mikeys Tod, an die ungläubige Wut. Natürlich hatte die Intensität dieser Gefühle im Laufe der Jahre etwas nachgelassen, aber er wusste noch gut, dass er sich einerseits immer nach der Gesellschaft anderer Menschen sehnte und andererseits viel allein sein wollte.
Er hatte großes Mitleid mit Ronnie. Und mit Jonah, der ja noch zu klein war, um alles zu begreifen. Er selbst war auch unendlich traurig. Steve war immer so nett zu ihm gewesen! Insgesamt hatten er und Ronnie viel mehr Zeit im Bungalow verbracht als in der Villa seiner Eltern. Er mochte Steves ruhige Art, wenn er am Herd stand und kochte, und die selbstverständliche Vertrautheit, die ihn mit Jonah verband. Oft hatte er beobachtet, wie die beiden am Strand Drachen steigen ließen, in den Wellen Fangen spielten oder still und konzentriert an dem Bleiglasfenster arbeiteten. In der kurzen Zeit, die er Steve kannte, hatte er nie erlebt, dass er wütend oder laut wurde. Hing diese Geduld damit zusammen, dass er wusste, er würde bald sterben? Aber der einzige Grund war es bestimmt nicht. Ronnies Vater war einfach ... ein guter Mensch, der mit sich selbst und mit der Welt seinen Frieden gemacht hatte. Er liebte seine Kinder und vertraute darauf, dass sie klug genug waren, im Leben die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Während Will schlaflos auf der Couch lag, wünschte er sich, später auch solch ein Vater zu sein. Natürlich liebte er seinen eigenen Dad - doch dieser war nicht immer der umgängliche Mann gewesen, den Ronnie kennengelernt hatte. In Wills Leben hatte es lange Phasen gegeben, in denen er seinen Vater kaum zu Gesicht bekam, weil er sich nur um den Aufbau seines Unternehmens kümmerte. Dazu kam die Launenhaftigkeit seiner Mutter. Und dann Mikeys Tod, der die ganze Familie einige Jahre lang in tiefe Depressionen gestürzt hatte. Nein, seine Kindheit hatte nicht nur aus Kuchen und Kindergeburtstagen bestanden, und Will wusste gut, was es hieß, sich ein anderes Leben zu ersehnen.
Aber Steve war ein ganz besonderer Vater.
Ronnie hatte ihm erzählt, wie ihr Dad stundenlang neben ihr saß, als sie Klavier spielen lernte. Steve selbst hatte das nie erwähnt. Zuerst fand Will das seltsam, doch dann begriff er, dass er sich Ronnie zuliebe so verhielt. Sie wollte nicht darüber reden, also vermied Steve dieses Thema ebenfalls, auch wenn es früher ein zentraler Bestandteil ihres gemeinsamen Lebens gewesen war. Er hatte schließlich sogar eine Wand eingezogen, weil Ronnie den Flügel nicht sehen wollte.
Was für ein Mensch war bereit, so etwas für seine Tochter zu tun?
Nur ein Vater wie Steve - dieser Mann, den Will immer mehr bewunderte und von dem er so viel lernen konnte.
Die Morgensonne weckte ihn. Er streckte sich, erhob sich vom Sofa und trat in den Flur. Die Tür zu Ronnies und Jonahs Zimmer stand offen. War Ronnie schon wach? Ja - sie stand auf der hinteren Veranda, an derselben Stelle wie letzte Nacht. Als er zu ihr ging, reagierte sie nicht, obwohl sie ihn bestimmt gehört hatte. »Guten Morgen«, sagte er leise.
Mit hängenden Schultern drehte sie sich zu ihm um. »Guten Morgen.« Auf ihrem Gesicht erschien ein kleines Lächeln, sie breitete die Arme aus, und er zog sie an sich, dankbar für die Zuneigung.
»Entschuldige wegen gestern Abend«, sagte sie.
»Das macht nichts.« Er fuhr ihr durch die Haare. »Du hast nichts falsch gemacht.«
»Hmm. Trotzdem danke.«
»Ich habe gar nicht gehört, wie du aufgestanden bist.«
»Ich bin schon lange wach.« Sie seufzte. »Vorhin habe ich im Krankenhaus angerufen und mit meinem Vater gesprochen. Er hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich konnte hören, dass er immer noch starke Schmerzen hat. Er denkt, sie behalten ihn nach den ganzen Untersuchungen vielleicht noch ein paar Tage da.«
In jeder anderen Situation hätte er versucht, sie zu trösten und ihr zu versichern, dass alles sicher gar nicht so schlimm sei. Aber in diesem Fall - das wussten sie beide -bedeuteten Floskeln wie »Alles wird gut« nichts. Deshalb neigte er nur seine Stirn an ihre.
»Konntest du überhaupt schlafen? Ich habe dich noch lange gehört.«
»Stimmt - ich konnte ewig nicht einschlafen. Schließlich bin ich zu Jonah ins Bett gekrabbelt, aber
Weitere Kostenlose Bücher