Mit dir im Paradies auf Erden
… soll ich heute Nacht hier bleiben?“, fragte er und hoffte wider besseres Wissen auf ein Ja.
Sie zögerte kaum merklich. „Nein … nein. Vielen Dank, aber das ist wirklich nicht nötig. Mir geht es wieder gut, und es ist mir ausgesprochen unangenehm, mitten in der Nacht ein solches Theater gemacht zu haben.“ Sie nahm ihm das feuchte Taschentuch ab und legte es zurück. „Ich habe schlecht geträumt, das war alles. Es war sehr nett von dir, mich zu trösten.“
Wortlos nahm er den Arm von ihren Schultern und stand auf. An der Tür blieb er noch einmal stehen. „Soll ich dir eine heiße Schokolade machen? Danach kannst du bestimmt besser einschlafen.“
Fleur erwiderte sein Lächeln. Sie spürte, wie sie immer ruhiger wurde und ihr Selbstbewusstsein zurückkehrte. „Vielen Dank für das Angebot, Sebastian, aber das ist nicht nötig. Ich werde etwas Wasser trinken und eine halbe Schlaftablette nehmen. Entschuldige bitte nochmals, dass ich mich wie eine dumme Gans benommen habe.“ Er nickte nur und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu.
Auf dem Weg in sein Zimmer fluchte er leise. Er fühlte sich innerlich zerrissen und war frustriert. Nur knapp war er dem Schicksal entronnen, die Beherrschung zu verlieren. Ein Wort von Fleur, und … er hätte sie geliebt, ausgiebig, zärtlich, nach allen Regeln der Kunst … bis zum Morgengrauen …
Wenn es auch kein Gespenst auf Pengarroth Hall gab, Fleur musste übersinnliche Fähigkeiten besitzen, denn sie hatte ihn verzaubert. Zu seinem großen Glück jedoch war sie auf sein Angebot nicht eingegangen.
Er musste verrückt gewesen sein, etwas Derartiges überhaupt vorzuschlagen. Statt sich wieder hinzulegen, ging er zum Fenster und starrte in die Dunkelheit. Er hatte sich eingebildet, schöne, hilflose Frauen könnten ihn nicht mehr betören. Was für eine Selbsttäuschung!
Er war gerade noch einmal davongekommen, und der Vorfall sollte ihm als Lehre dienen. In Zukunft würde er sich noch entschiedener von Frauen fernhalten. Besonders von Fleur.
Fleur, nach der sein Körper schmerzhaft verlangte.
Würde er, Sebastian Conway, es denn nie lernen?
6. KAPITEL
Fleur legte das Röhrchen wieder aus der Hand. Sie wollte keine Tablette nehmen, die sie stumpf und achtlos machte, sondern die Erinnerung an Sebastians Kuss möglichst lange genießen. Sie wollte seine Umarmung fühlen, seinen männlichen Duft noch in der Nase spüren.
Vorsichtig warf sie einen Blick in den Badezimmerspiegel. Himmel, wie sie aussah! Ihr Gesicht war blass und verweint, ihr Haar ein wildes Durcheinander ungekämmter Locken. Doch das hatte für Sebastian keine Rolle gespielt. Er hatte sie trotzdem stürmisch begehrt, und sie hatte all ihren gesunden Menschenverstand und den letzten Rest Willenskraft aufbieten müssen, um Nein zu sagen.
Sie runzelte die Stirn. Es waren schon eigenartige Zusammenhänge, erst das Gespräch über das Gespenst und dann ihr Traum, in dem der Mann mit dem Zylinder die Gesichtszüge ihres Vaters angenommen hatte.
Nach kurzer Überlegung tat sie den Vorfall jedoch mit einem Schulterzucken ab. Träume ließen sich eben nicht erklären, sie waren unrealistisch und bizarr. Langsam trank sie einen Schluck Wasser und dankte ihrem Schicksal, eine gefährliche Situation erfolgreich gemeistert zu haben. So einfühlsam, rücksichtsvoll und zärtlich Sebastian auch sein mochte, trotzdem gehörte er zum Typ des von sich selbst überzeugten Manns, der nie an der eigenen Meinung zweifelte und sich zum Befehlen berufen fühlte. Alles musste sich seinem Willen beugen.
Ein Mann mit diesen Charaktereigenschaften kam für sie als Partner nicht infrage. Außerdem scheute er sich vor einer Bindung. Daher hatte sie auf alle Fälle richtig gehandelt. Selbst wenn sie ihm nachgegeben hätte, wäre sie für ihn nichts weiter gewesen als eine kurze, leidenschaftliche Affäre.
Fleur ging zurück ins Bett. Sie konnte das Geschehene zwar nicht rückgängig machen, aber sie brauchte ihm auch keine weitere Bedeutung beimessen. Morgen war ein neuer Tag, und die Welt würde wieder anders aussehen. Ärgerlich war nur, dass sie die Einladung nach Truro angenommen hatte. Es sollte ihr eine Warnung sein, nicht länger zu zögern. Nachdem Sebastian vom Steuerberater zurückkam, würde sie endgültig ihren Plan in die Tat umsetzen und ihm von einem Anruf erzählen, der sie ins Labor zurückrief. Sicher war sicher, denn gerade weil es hier so schön war, war es so gefährlich.
Mit diesen Gedanken
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