Mit dir im Paradies auf Erden
wenn einem vorgeschrieben wird, wie man sein Leben zu führen hat“, bemerkte Fleur nach kurzem Schweigen.
„Das klingt, als sprechen Sie aus Erfahrung.“
Sie lächelte flüchtig. „In gewisser Weise. Natürlich wird von mir nichts Großartiges verlangt, ich muss keinerlei Verantwortung für ein Familienerbe übernehmen, aber …“
„Reden Sie weiter“, ermunterte er sie. „Das interessiert mich.“
„Bei mir ist es einfach so, dass mein Vater mit meinen Vorstellungen vom Leben nicht einverstanden war. Ich musste Wissenschaftlerin werden, darauf bestand er. Wenn man von der Natur eine überdurchschnittliche Intelligenz geschenkt bekommt, darf man sie nicht verschwenden, sondern muss sie zum Wohl der Allgemeinheit einsetzen. Deshalb betreibe ich medizinische Forschung.“
Fleur überlegte. „Natürlich mache ich das gern, es gibt meinem Leben einen Sinn, und wenn wir eine bahnbrechende Entdeckung gemacht haben, kann ich mich auch im Erfolg sonnen. Wenn ich ehrlich bin, finde ich meinen Arbeitsalltag meistens langweilig und enttäuschend gleichförmig.“ Sie zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr. „So sieht, auf den Punkt gebracht, mein Leben aus. Dabei hatte ich ganz andere Pläne – wahrscheinlich reine Spinnereien.“
Zum ersten Mal seit ihrer Bekanntschaft lächelte Sebastian sie offen an, und Fleurs Herz setzte einen Schlag aus. Sebastian sah nicht nur gut aus, er besaß auch Herzlichkeit und Wärme. „Und? Was wären Sie am liebsten geworden?“
„Sie werden es nicht glauben – Opernsängerin.“ Sie blickte zu Boden. „Ich hätte es gern versucht, obwohl mein Talent und auch mein Durchsetzungsvermögen wahrscheinlich nicht gereicht hätten. Auch das Glück, das man zu einer solchen Karriere braucht, wäre mir bestimmt nicht hold gewesen.“ Sie lachte. „Ich habe nämlich immer nur Pech, alle Lose, die ich ziehe, erweisen sich stets als Nieten. Es gibt Leute, die in jeder Lotterie oder bei jedem Preisausschreiben etwas gewinnen.“
„Das stimmt, ich scheine eigenartigerweise auch dazuzugehören. Aber erzählen Sie weiter, offensichtlich hatten Sie ja Gesangsunterricht.“
„O ja, den hat mein Vater erlaubt.“ In ihrer Stimme schwang leichte Bitterkeit mit. „Doch als ich dann so weit war, an öffentliche Auftritte und Konzertexamen zu denken, hat er allem einen Riegel vorgeschoben.“ Fleur seufzte. „Beides, mein Chemiestudium und die Musik, zu vereinbaren war für mich unmöglich. Also beschränkte ich mich darauf, die Arien auf meinen CDs mitzusingen – wenn mein Vater es nicht hören konnte.“
Das Bedauern, das aus ihren Worten klang, berührte Sebastian. „Auf eine Art gleicht sich unsere Situation“, erwiderte er. „Beide tun wir, was andere für uns beschlossen haben.“ Wieder lächelte er auf seine unnachahmliche Art. „In meinem Fall jedoch passierte nur schneller, was mir sowieso letztendlich bestimmt war. Sie dagegen könnten sich noch umentscheiden, dazu ist es bestimmt noch nicht zu spät.“
Fleur musste lachen. „Das würde mir mein Vater nie verzeihen, und ich käme mir wie eine Sünderin vor, wenn ich meine wissenschaftliche Karriere einem solch oberflächlichen Beruf opfern würde. Mit Singen rettet man schließlich keine Menschenleben, oder? Für meinen Vater ist Musik Zeitverschwendung, meine Mutter spielte früher sehr gern Klavier, jetzt nur noch sehr selten, weil das Geklimpere, wie er es nennt, ihn beim Arbeiten stört. Nein, Sebastian“, sie schüttelte den Kopf. „Für mich ist es zu spät.“
Wie sie überrascht feststellte, hatte sie ihn zum ersten Mal beim Vornamen genannt, das vertrauensvolle Gespräch musste dazu geführt haben.
Sie waren schon weiter als beabsichtigt gegangen, und Benson trottete müde hinterher. Sebastian bemerkte es. „Ich glaube, wir drehen besser um. Es ist genug für den guten alten Benson. Außerdem dauert es nicht mehr lange, und wir können die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Gut, dass ich die Taschenlampe mitgenommen habe.“
„Natürlich wollen wir Benson nicht überanstrengen. Ich dagegen könnte noch stundenlang so weitergehen.“
Das glaubte ihr Sebastian sofort. Obwohl sie ein Stadtkind war, stolperte sie nicht über Wurzeln, blieb in keiner Hecke hängen und kletterte mit Leichtigkeit über Baumstämme. Bei keiner Gelegenheit hatte er ihr helfen müssen. Vielleicht war sie doch nicht so zerbrechlich, wie sie wirkte.
Kurz vor dem Haus fasste Fleur einen spontanen Entschluss, der in der
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