Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)
schluchzende Tochter begann zu jammern, dass ihre Schwester sie überredet habe, es zu tun, woraufhin die Mutter sofort ihre höfliche Maske fallen ließ und wütend auf die Töchter losging.
»Angela, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du deine Schwester nicht dazu verleiten sollst, Dummheiten zu machen? Und du, Monique, hältst den Mund – du musst nicht alles tun, was Angela dir sagt. Sie ist deine Zwillingsschwester, aber ich bin verdammt noch mal deine Mutter – wie wär’s, wenn ihr beide zur Abwechslung mal macht, was ich euch sage?«
Evelyn hatte höflich zugehört, das Theater irgendwie genossen, bis das Wort »Zwilling« fiel. Sie fühlte mit einem Mal einen stechenden Schmerz in der Magengrube und das lächerliche Verlangen, diese Mutter zu sein, die nur ihre liebe Mühe mit zwei pubertierenden Teenagern hatte.
Ich habe meinen Sohn verloren.
Eine Welle derTrauer überkam sie und drohte sie in einen dunklen Abgrund zu reißen. Sie floh aus dem Bekleidungsgeschäft in die nächste, glücklicherweise leere Toilette. Dort gestattete sie sich fünf tränenreiche Minuten. Fünf Minuten der Sehnsucht und der Wut und die verzweifelte Bitte an eine höhere Macht, das alles möge ein grausamer, furchtbarer Scherz und Irrtum sein.
Das ist ein böser Traum. Es ist nicht richtig, und es ist nicht fair, und es ist völlig irreal. Es kann einfach nicht sein. Kann doch nicht mir passiert sein. Nicht jetzt. Und niemals.
Aber es war unleugbar die Realität. Und darüber in der Toilette eines Einkaufszentrums Tränen zu vergießen änderte nichts. Sie tupfte die Wimperntusche trocken, straffte die Schultern, holte tief Luft und verließ die Toilette und das elende Einkaufszentrum.
*
»Hallo, hier ist Evelyn … Kein guter Zeitpunkt, Belinda. Vielleicht kannst du morgen wieder anrufen? Oder vielleicht nächste Woche. Ja, nächste Woche wäre es am besten … Natürlich. Mache ich. Wiederhören.«
»Wer war das am Telefon, Mum?«
»Nur diese Dingsbums. Aber keine Sorge, ich habe ihr gesagt, dass es jetzt nicht passt.«
»Was soll der Quatsch? War das nicht gerade Belle, die angerufen hat?«
» Belinda . Ja, war sie.«
»Okay, Mum. Ich versuche wirklich alles, um mit dir klarzukommen. Ich tue mein Bestes. Aber warum zum Teufel hast du mich nicht ans Telefon geholt?«
»Weil du lernen sollst, Liebling. Ich finanziere dir doch nicht das Studium, damit du deine Zeit mit naiven jungen Mädels totschlägst, statt dich auf deine Arbeit zu konzentrieren.«
»Erstens finanzierst du mein Studium nicht. Schon mal was von Stipendien gehört? Der Staat finanziert mein Studium. Und zweitens, danke, Mum. Herzlichen Dank!«
»Keine Ursache, mein Junge. Gern geschehen.«
»Danke, dass du es mir so leicht machst. Ich ziehe aus. So bald wie möglich.«
*
Sie verließ das Einkaufszentrum und legte sich auf der Rückfahrt in Gedanken einen Plan zurecht. Es gab einen Schuldigen für dieses Unglück, und sie wusste verdammt gut, wen die Verantwortung traf. Wenn er diese dämliche, nichtsnutzige Belinda mit ihrem aufreizenden Gehabe, ihrem Puppengesicht und ihren dünnen, langen Beinen nicht kennengelernt hätte, wäre er nie auf die Idee gekommen, zu Hause auszuziehen. Dann hätte ihm Michael Coombes keinen Job in diesem lächerlichen GameTech-Büro in der City besorgt, er wäre niemals in diese Situation von gestern Nachmittag geraten, und andere, namenlose und gesichtslose Eltern würden jetzt um ihr Kind trauern.
Wen kümmert’s schon, wen es getroffen hätte, solange es nur nicht mein Sohn ist!
Es lag auf der Hand: Belinda trug die Schuld. Du lieber Himmel, das Mädchen war ein echtes Landei und nannte sich Belle ! Als Andrew sie kennengelernt hatte, arbeitete sie hinter dem Tresen einer Bar in der Innenstadt. Seither hatte sie es tatsächlich bis zur Schwimmlehrerin gebracht. Sie arbeitete mit kleinen Rotznasen und studierte Sport an der Universität – was immer das bedeutete. Sie war zu dünn, zu groß, zu hübsch, zu albern.
Evelyn hätte nie zulassen dürfen, dass er ihr einen Antrag machte. Sie hätte wissen müssen, dass Belinda ihrem Sohn nur Probleme machen würde. Ja, sie war eher der Typ für James. James wäre ihr nie auf den Leim gegangen – dazu kannte der sich viel zu gut mit Frauen aus. Aber Andrew, nun,Andrew brauchte jemand Zärtlichen, Ruhigen und Höflichen. Jemanden, der zumindest halbwegs Grips in der Birne hatte.
Das heißt, Andrew hätte so jemanden gebraucht .
Als sie in ihre Auffahrt
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