Mit dir ins große Glueck
"Nun, was ist es?" half Melanie ihm nach. "Haben Sie es sich doch anders überlegt?"
"Eigentlich nicht", gab Gerd zu. "Ich wollte nur sagen, dass ich drei Wochen Urlaub habe. Ich könnte dann vielleicht den ganzen Tag... ich meine, ich will ja nicht drängeln, aber..."
"Ist das wirklich wahr?" Die Frau schien ehrlich begeistert zu sein. "Drei Wochen lang, und den ganzen Tag? Das wäre fantastisch. Ich meine, gerade in den nächsten Wochen habe ich eine Menge zu tun. Vielleicht haben Sie ja davon gehört. In meiner Galerie hat es gebrannt. Dadurch habe ich eine Menge zusätzlichen Schriftverkehr und Telefonate zu erledigen. Und Micky hat doch noch Pfingstferien." Sie seufzte müde auf. "Es ist alles gar nicht so einfach, wenn man nur auf sich allein gestellt ist. Und Sie können wirklich drei Wochen lang jeden Tag herkommen? Das wäre eine große Erleichterung für mich, wenn ich wüsste, dass meine Tochter nicht allein ist."
"Sie sind sehr vertrauensselig, Frau Saur. Sie kennen mich nicht und wollen mir dennoch Ihre Tochter, Ihr Haus und Ihren Garten anvertrauen."
"Ich habe keine andere Wahl", antwortete Melanie Saur, und ihre Augen blickten traurig. "Natürlich werde ich Ihre Angaben, die Ihre Person betreffen, nachprüfen. Sie sagten mit ja, dass Sie in einem Büro arbeiten. Nur den Arbeitgeber nannten Sie noch nicht. Das möchte ich natürlich nachprüfen."
Gerd erschrak, doch er fasste sich gleich wieder. Micky war gerade mit dem Hund davongelaufen, sodass er ohne Schwierigkeiten den Namen seines Verlags nennen konnte. "Ich arbeite dort als Redakteur."
Melanie war sichtlich beeindruckt, doch sie sagte nichts dazu. "Ihre Adresse habe ich ebenfalls, und den Ausweis haben Sie mir auch gezeigt. Ich weiß ja", sie senkte den Blick, "eigentlich müsste ich aus all den Erfahrungen, die ich schon gemacht habe, klug geworden sein, doch mancher lernt es nie, wie man so schön sagt."
"Sie dürfen wirklich beruhigt sein, Frau Saur."
"Bitte, nennen Sie mich doch Melanie, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Da wir uns jeden Tag sehen werden, denke ich, dass es einfacher ist, wenn wir uns beim Vornamen nennen. Ich werde Gerd zu Ihnen sagen, wenn Sie einverstanden sind."
"Sehr gern", stimmte Gerd zu. "Also, Melanie." Er reichte ihr die Hand. "Dann bis morgen, Micky", betonte er noch einmal, als das Kind mit seinem Hund zurückgekommen war, und grinste über das ganze Gesicht. "Ich denke, wir werden eine schöne Zeit zusammen haben, einverstanden?"
Michaela nickte begeistert, dann nahm sie ihren Hund und lief wieder davon. Ganz deutlich war ihr die Lebensfreude anzusehen, die sie in diesem Augenblick empfand.
"Ein bezauberndes Mädchen", wandte sich Gerd an die Frau. "Sie können wirklich stolz auf Micky sein. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr glücklich sind mit dem Kind."
"Sie ist alles, was ich im Leben habe", antwortete die Frau traurig. "Dabei dachte ich vor zehn Jahren noch, dass..." Sie biss sich auf die Lippen und brach ab. "Das tut nichts zur Sache."
"Sie brauchen mir nichts zu erzählen, Melanie, wenn Sie nicht möchten. Vielleicht lernen wir uns ja im Laufe der nächsten Wochen so gut kennen, dass wir uns ein bisschen von uns selbst berichten können. Ich denke, es würde uns beiden sehr guttun. Doch jetzt sollte ich mich, glaube ich, verabschieden. Ich muss meine Wohnung noch ein bisschen aufräumen, ehe ich in einem fremden Revier arbeite. Vielleicht besuchen Sie mich ja einmal überraschend, und dann sieht es bei mir aus wie Sodom und Gomorrha. Das Risiko möchte ich nicht eingehen." Er lachte herzlich.
Melanie lachte mit. Sie wusste selbst nicht, weshalb sie sich auf einmal so heiter und unbeschwert fühlte, fast wie ein junges Mädchen, fast wie damals, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Liebe kennengelernt hatte.
Verflixt, fuhr es ihr durch den Kopf. Was hatte sie da eben gedacht? War ihr das Wort Liebe durch den Kopf gegangen? Das durfte natürlich nicht sein. Hastig entzog sie dem Mann ihre Hand. "Also, dann bis morgen, Gerd. Und falls Sie es sich überlegen sollten, können Sie mich ja anrufen", fügte sie betont gleichgültig hinzu.
Gerd konnte sich den Stimmungswandel der Frau nicht erklären, doch er beschloss, nicht danach zu fragen, um sie nicht unnötig zu belasten. "Dann bis morgen." Er hob grüßend die Hand und folgte dem schmalen Weg aus rauen Natursteinen zum Ausgang.
Er war zufrieden mit
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