Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
weil sie glaubten, dass die Autos, die an ihrem Fenster vorbeifahren, zu schnell und deshalb laut sein würden – und dass bitte ein Beamter vorbeikommen und dafür sorgen möge, dass die Autos langsamer und leiser fahren. Erst dann könne er seinen Schlaf genießen.
»Was tun Sie bei solchen Anrufen?«
»Ich versuche erst einmal, die Menschen zu beruhigen und ihnen Lösungen vorzuschlagen. 90 Prozent der Fälle lassen sich so lösen, ohne dass ein Beamter vorbeischauen muss.«
Einige rufen an, weil irgendwo ein Hund bellt. Andere, weil angeblich ein Wasserhahn im Haus tropft. Ein Polizist solle dann vor Ort veranlassen, dass der Wasserhahn abgestellt wird. Manche beschweren sich, weil der Nachbar die Tür zugeschlagen hat.
Wissen für Nichtjuristen
Wer sich durch den Lärm einer
Tiefgarage gestört fühlt, hat
die Möglichkeit, das Öffnen und
Schließen zwischen 22 und 6 Uhr
untersagen zu lassen (§§ 228,
223, 167, 1004 BGB).
»Meistens ist die Angelegenheit auch erledigt, wenn wir beim Ruhestörer anrufen oder kurz vorbeifahren. Nur in den seltensten Fällen spricht das Ordnungsamt tatsächlich eine Geldstrafe aus. Ich habe nur ein Mal eine wirklich kuriose Geschichte zwischen Ehepartnern erlebt.«
Eine Frau habe sich gemeldet, um die Polizei darauf hinzuweisen, dass sich ihr Mann in einem fahruntüchtigen Zustand befinde, jedoch plane, von der Feier mit dem Auto heimzufahren. Die Beamten erschienen vor Ort und trafen den Ehemann an, wie er gerade mit seiner Frau anstieß. Sie führten eine Alkoholkontrolle durch, die ohne Folgen bleiben sollte, weil der Mann ja nicht am Steuer saß und nur die Ankündigung, noch fahren zu wollen, kein Delikt darstellt. Das Ergebnis beim Mann: 0,8 Promille. Weshalb die Polizisten ihm rieten, nicht mehr nach Hause zu fahren. Darauf entgegnete die Frau, dass natürlich sie nun fahren würde. Also testeten die Beamten kurz die Frau. Ergebnis: 1,4 Promille.
»Solche Sachen erlebt man nicht jeden Tag – aber doch öfter, als man es sich vorstellen und wünschen würde.«
Ich sei jedoch immer noch der Erste, der seine Frau wegen Ruhestörung anzeigen wolle.
»Und wie verbleiben wir nun?«
»Ich habe die Anzeige aufgenommen. Ich kann bei Ihrer Frau anrufen, aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Gehen Sie lieber in eine Kneipe derweil.«
Viele Menschen beschweren sich darüber, dass es zu viele Gesetze gibt – doch wenn man betrachtet, wie viele Leute bei der Polizei anrufen, um sich wegen Nichtigkeiten zu beschweren, dann ist eindeutig festzustellen, dass es nicht genug Gesetze gibt. Es fehlt mindestens eins, das besagt: »Werd erwachsen und klär die Dinge persönlich, anstatt dich hinter einem Polizisten zu verstecken.«
Der zweifache Oscar-Gewinner Christoph Waltz sagte einmal: »Wer herausragende Leute haben möchte, der muss auch mal jemanden herausragen lassen.« Man könnte, man müsste den Spruch abändern in: Wer ein selbst verantwortetes Leben möchte, der sollte sein Leben auch mal selbst verantworten.
Ja, der Nachbar kann manchmal nerven. Der Kollege auch. Und die Ehefrau erst! Manchmal gibt es keinen anderen Weg, als Hilfe zu holen – doch in vielen Fällen braucht es das nicht.
Menschen, die andere verpfeifen, mochte schon in der Schule keiner.
Ich gehe in die Kneipe. Dort bleibe ich zwei Stunden, dann gehe ich nach Hause zurück in der Hoffnung, dass der Spuk vorbei ist.
Meine Frau kommt mir entgegen: »Vorhin hat ein Polizist angerufen. Du hast mich echt angezeigt?«
Ich gucke, wie ein Mann guckt, der zwei Stunden allein in einer Kneipe gesessen und Bier getrunken hat – und das alles nun seiner Frau erklären muss.
»Keine Sorge, der Mann war supernett. Er hat gesagt, wir sollen uns einigen und eine vernünftige Lösung finden.«
Ich nicke, weil auch ich ein Rezept für eine funktionierende Ehe gefunden habe: bedingungslose Unterwerfung.
»Die vernünftigste Lösung ist, die restlichen Regale jetzt aufzuhängen, sonst muss mein Vater noch einmal kommen. Finn hat dem Vorschlag übrigens zugestimmt.«
Dann lacht sie und sieht hinüber zu ihrem Vater und meinem Sohn, beide den Bohrer im Anschlag.
Noch vier Regale.
Kapitel 6
Das Gesetz bin ich!
Erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit? An diesen Kerl in Ihrer Klasse, der immer alles besser wusste und Sie auf jeden Fehler hingewiesen hat? Diesen Typen, den Sie in der Pause gerne verprügelt hätten, weil er nicht aufgehört hat, mit seiner Besserwisserei zu nerven?
Dieser Typ, das bin
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