Mit einem Bein im Modelbusiness
bestochen werden mussten, weil … na ja, du weißt ja sicher, wie das läuft.«
Maia hörte mir zu, jedenfalls glaubte ich das, denn sie saß einfach nur da und schwieg.
» Sorry, ich will dich nicht mit den Geschichten von meinem Vater langweilen.«
» Das langweilt mich nicht, Mario. Im Gegenteil.«
» Wieso bist du zu mir gekommen?«, versuchte ich schnell vom Thema abzulenken.
» Weil du so bist wie ich.«
» Und wie bin ich?«
» Nicht wie die anderen.«
» Ach so?«
» Warum Brasilien?«
» Was?«, sagte ich geistesabwesend. Ich versuchte noch immer herauszufinden, was Maia damit gemeint hatte: Weil du so bist wie ich.
Mein Bier war schon fast leer, und ich hatte nicht die geringste Lust zum Kühlschrank zu gehen. Nach kurzer Überlegung stellte ich die Flasche neben das Bett und atmete tief durch.
» Warum hat sich dein Vater ausgerechnet in Brasilien, so weit weg von deiner Heimat, ein Haus gebaut? Er hätte doch auch, sagen wir, nach Portugal oder Spanien gehen können?«
» Das ist eine lange Geschichte.«
» Also, ich hab heute nichts mehr vor, und du?«
» Die Jungs sind auf einer Party, aber ich war den ganzen Tag in der Stadt unterwegs. Ich bin müde. Ich geh heute ganz bestimmt nicht mehr aus.«
Eigentlich wollte ich nur noch ins Bett, und zwar alleine!
» Sehr gut«, sagte sie. » Dann will ich alles ganz genau wissen«.
» Echt, warum?«
» Ich mag den Klang deiner Stimme. Sie tut mir gut. Du musst das nicht verstehen.«
Also schön.
» Als Jugendlicher war mein Dad in Brasilien auf Montage gewesen und hat sich sofort in das Land, speziell in diese Region, in der jetzt sein Haus steht, verliebt. Jedenfalls sagt er das immer. Bevor er meine Mom kennenlernte, ist er mit seinen vier, fünf besten Kumpels auch jedes Jahr runtergeflogen, um die Sau rauszulassen. Ich kann das schon verstehen. Sie haben von einem Leben im Paradies geträumt: Strand, Palmen, Sonne, nette Menschen …«
Während ich erzählte, kamen die Bilder wieder in mein Gedächtnis zurück. Ich sah sie klar und deutlich vor mir, und ich merkte, wie sie mir ein Lächeln ins Gesicht zauberten.
» … mit einer eisgekühlten Cerveza in der Hängematte zu liegen und dabei zuzusehen, wie die knallrote Abendsonne friedlich im Meer versinkt, um dann bei einem lauen Lüftchen völlig entspannt einzudösen – ja, dieser Traum hat ihn sein Leben lang verfolgt, und irgendwann hat er es wirklich durchgezogen. Ich glaube, er musste das tun, es wenigstens probieren, sonst wäre er wahrscheinlich für den Rest seines Lebens unglücklich geblieben. Gleichzeitig hat er ja auch in Deutschland sein erstes Haus gebaut und – ohne Scheiß – vierundzwanzig Stunden am Tag geackert und geknechtet, damit wir auch noch was zu essen auf dem Tisch hatten. Ist schon krass, was man mit echter Entschlossenheit und Willenskraft alles erreichen kann, was?«
» Ich weiß, Mario. Glaub mir. Ich weiß.«
Maia starrte die Decke an. Ich war mir sicher, sie würde mir etwas sehr Trauriges erzählen, wenn ich jetzt danach fragte. Längst war sie in Gedanken in ihre Heimat zurückgekehrt, irgendwo nach Brasilien. Keine Ahnung, wieso ich das dachte. Ich spürte es einfach. Was hatte sie nur erleben müssen, dass ihre Augen so voller Kummer waren? Sie reichte mir ihre Flasche, und ich stellte sie neben meine, in der noch immer ein letzter Schluck auf mich wartete.
» Erzähl weiter«, sagte sie und drehte ihren Kopf in meine Richtung.
» Es gibt immer einen Unterschied zwischen denen, die etwas nur gerne hätten, und denen, die wirklich alles daransetzen, es auch Realität werden zu lassen«, fuhr ich fort. » Das hat mich schon als kleines Kind schwer beeindruckt. In der Hinsicht war mein Dad ein echtes Vorbild. Sag mal, möchtest du noch was trinken?«
» Nein, nein!«
Ich ließ mein rechtes Bein aus dem Bett baumeln. So war es bequemer für mich. Unter normalen Umständen hätte ich die Orthese längst abgeschnallt und in die Ecke gepfeffert, aber dieser Abend war alles andere als normal.
» Mach schon! Erzähl endlich weiter«, sagte sie und zupfte ungeduldig an meinem T-Shirt. » Ich hör dir so gerne zu.«
» Okay, okay.«
Ich griff nach meinem Bier und trank es in einem Zug aus. Dann sah ich sie an. Ihre Augen waren geschlossen.
» Erzähl mir mehr von Brasilien«, quengelte sie sehnsüchtig. Erneut zippelte sie an meinem T-Shirt.
» Also schön. Auf nach bella Brasilia.«
Maia machte es sich neben mir bequem und rückte das
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