Mit einem Bein im Modelbusiness
Kopfkissen zurecht.
» Meine Eltern waren der Meinung, dass ein Junge, sobald er zum Mann wird – wahrscheinlich glaubten sie, dass man nach bestandenem Abitur so weit sei –, mindestens einen richtig teuren Anzug besitzen müsse. Ich fand die Vorstellung auch durchaus charmant. Ich meine, ich liebe die alten Filme mit Cary Grant oder Typen wie Al Capone, die superfresh in ihren Anzügen aussahen, trotzdem hatte ich eine bessere Idee. Wenn sie mir schon ein Geschenk zum Abi machen wollten, dann wünschte ich mir ein Flugticket nach Brasilien.«
Maia rutschte ein Stückchen höher.
» Ich wollte mir den großen Lebenstraum meines Vaters endlich persönlich ansehen.«
» Hm, kann ich verstehen.«
Ich hatte ohnehin keine Pläne von wegen Modelkarriere! Das war alles noch ganz weit weg. Ich wollte herausfinden, wer ich war, was ich sein wollte und was dieses Leben alles zu bieten hatte. Ich kann dir gar nicht sagen, warum, aber als Kind hatte ich immer diese fixe Idee, nach dem Abitur sei man automatisch reich. Reich war ich auch, das kann ich dir sagen, aber nur an herumwirbelnden Fragezeichen in meinem Kopf. Wie die meisten meiner Freunde hatte ich nicht den blassesten Schimmer, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Der Zeitpunkt war also perfekt: Ich hatte nichts zu tun, extrem Bock, dazu ein bisschen cash in der Tasche, also ging es nach der Zeugnisübergabe im Juli für drei Monate zu Pelé und Gisele.«
» In welchem Jahr war das?«, fragte sie.
» 2005«, antwortete ich. » Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf diesen Trip gefreut habe. Und dann das: Die ersten drei Tage in São Paulo waren total furchtbar.«
» Wieso denn das?«
Maia schielte jetzt zu mir hoch.
» Hm, das war echt saublöd. Ich musste dort noch auf einen Freund meines Vaters warten, mit dem ich gemeinsam weiterreisen wollte. Ich hatte mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Ich dachte, hey, drei Tage in São Paulo chillen – das wird bestimmt cool!«
» Und warum war es dann so schlimm?«
Sie schaute mich immer noch an, ihren Arm leicht aufgestützt.
» Ich war das erste Mal weg aus Europa, ganz alleine, und dann landete ich ausgerechnet in einer der gefährlichsten Städte der Welt. Ich, mit meinen superblonden Haaren! Es hat mich einfach jeder angeglotzt. Wirklich jeder! Und die Blicke waren nicht immer freundlich.«
Sie kicherte leise.
» Ich konnte eigentlich gar nicht über die Straße gehen, ohne überfallen zu werden, und wenn du dazu die Sprache nicht sprichst und dich vor Ort nicht auskennst, erst recht nicht.«
» Ach, jetzt stell dich mal nicht so an.«
» Na, du hast gut reden. Ich bin die drei Tage fast komplett in dieser kleinen Herberge geblieben, die zwischen der Stadt und dem Flughafen lag. Ich kann dir sagen, jeder Gang zum Kiosk unten an der Kreuzung war ein Ausflug auf Leben und Tod.«
» Das wären aber teure Zigaretten geworden, was?«
» Na, auf jeden Fall brachte ich die Zeit irgendwie hinter mich. Duppa, der Kumpel meines Vaters, kam mich abholen, und wir flogen weiter nach Ilhéus. Duppa musst du dir ein bisschen wie Magnum vorstellen, nur ohne Ferrari – obwohl er sich den sicher leisten könnte. Aber inklusive Hawaiihemd und Sonnenhut. Ein verrückter Vogel ist das. Der hat in Brasilien sein Business gemacht, hat Holzkunst gekauft und in Europa teuer verkauft – solche Sachen. Genau weiß ich das auch nicht. Er ist auch ständig durch die Lande getingelt, kam ab und zu vorbei, hat dann ein, zwei Nächte bei uns gepennt, aber meistens war er unterwegs. Das Haus meines Dads steht in der Region Bahia, in der Nähe von Ilhéus, einer kleinen Fischerstadt. Bis nach Sargi, so heißt das Dorf, sind’s dann noch mal dreißig Kilometer die Küste entlang, runter Richtung Süden. Kennst du die Gegend?«
Maia schüttelte den Kopf.
» Hm, und wo kommst du her?«
» Ich bin nicht am Meer aufgewachsen«, sagte sie und schob nach einer kurzen Pause ein melancholisches » leider« hinterher. » Wie ist es dort?«
» Im Dorf?«
» Ja.«
» Sehr einsam, sehr abgelegen. Das Haus liegt direkt am Meer. Du musst nur durch ein kurzes Stückchen Palmenwald laufen, vielleicht fünfzig Meter, und du stehst mit deinen Füßen im weißen Sand. Das Dorf liegt etwas weiter vom Haus weg, am Rande des Dschungels, überall stehen Palmen – wie im Paradies. Vom Haus führt ein holpriger Schotterweg etwa 500 Meter ins Dorf. Das Problem war nur, dass ich das Auto meines Dads nicht fahren konnte.
Weitere Kostenlose Bücher