Mit einer Prise Glück und Liebe
ist das jetzt her? Acht Jahre?«
»Das ist mir egal. Ich empfinde es trotzdem so, dass meine Familie meinen Exmann mir vorgezogen hat.«
In gespieltem Trotz kreuzt er die Arme vor der Brust, zieht einen Flunsch und stampft erbost mit dem Fuß auf.
Ich winke grinsend ab. »Danke für deine Hilfe.«
»Ich komme später noch mal vorbei.«
Katie zerrt Merlin an der Leine die Verandatreppe herauf. »Ich muss mich an die Arbeit machen«, sage ich. »Lass uns den Garten auf potenzielle Fluchtmöglichkeiten absuchen, dann kannst du dort mit ihm spielen.«
Auf dem Balkon vor Katies Zimmer richten wir ein Lager aus alten Decken für Merlin ein. Sie verspricht, abends die Tür geschlossen zu lassen und ihn immer an der Leine zu halten, wenn sie mit ihm Gassi geht. Danach verziehen sich die beiden in den Garten. Katie setzt sich mit einem Buch ins Gras, während Merlin wie ein Soldat das Terrain sondiert und jeden Zentimeter beschnüffelt.
Soldat . Bevor ich in die Backküche zurückkehre, setze ich mich an den Computer und schreibe Sofia eine kurze Mail:
Katie macht sich gut. Der Hund ist inzwischen hier. Irgendwelche Neuigkeiten? Wie geht es dir? Und vergiss nicht, etwas zu essen.
Gruß,
Mom
Dann flüchte ich endlich in die Küche, wo mich der Duft nach Hefe zumindest für eine Weile vergessen lässt, dass meine Tochter zum ersten Mal in ihrem Leben in einer tiefen Krise steckt und es im Grunde nichts gibt, womit ich ihr helfen kann.
NEUN
Sofias Tagebuch
21. Mai
Ich schreibe dies, während ich an Oscars Bett sitze. Er ist nahezu unkenntlich. Nein, das stimmt nicht. Er ist unkenntlich. Wüsste ich nicht, wer er ist, würde ich ihn nicht wiedererkennen. So viele Verbände und Schläuche. Ich sehe einzelne Teile seines Gesichts – seinen Mund und sein Kinn, die rot und dick geschwollen sind. Seine Lider sind dunkelrot, ebenfalls dick geschwollen und wund. Seine Wimpern sind vollständig versengt, aber die Schwester meinte, er hätte noch Glück gehabt, weil die Lider nicht verbrannt seien. Allein wenn ich daran denke, wird mir ganz elend.
Er ist eine Mumie. Eine einbeinige Mumie. Bisher ist er noch nicht aus dem Koma aufgewacht.
Eigentlich dachte ich, wir würden schon gestern nach San Antonio zurückfliegen, aber sein Zustand hat sich verschlechtert, und noch irgendetwas ist passiert … keine Ahnung, was. Der Kaplan kommt oft her, um nach mir zu sehen. Das ist ein deutliches Zeichen, dass sie davon ausgehen, er stirbt.
Aber er wird nicht sterben. Ich sage mir ständig, dass er nicht aufgeben darf, egal, was passiert. Sonst wird Katie zur Waise. Unser Baby wird seinen Vater niemals sehen. Er oder sie kommt in nicht einmal zwei Monaten zur Welt, Oscar, sage ich ständig zu ihm. So lange musst du durchhalten. Ich weiß, dass du es schaffst.
Und wenn er zwei Monate schafft, schafft er es auch endgültig.
Und diese Schwangerschaft! Meine Knöchel sind geschwollen, und meine Rückenschmerzen wollen einfach nicht aufhören. Sie haben eine Ärztin hier, die mich im Auge behält. Ich mag sie sehr.
Unterdessen schlägt das Baby Purzelbäume in meinem Bauch. Ich schwöre! Ich spüre, wie es ständig gegen meine Rippen tritt und herumhampelt. Mädchen oder Junge? Diese Frage stelle ich mir pausenlos. Aber ich will es nicht wissen. Das ist, als würde man sein Weihnachtsgeschenk schon vorher aufmachen. Allerdings glaube ich, dass es ein Junge wird. Mein Bauch ist hoch und spitz, und eine der anderen Lehrerinnen in der Vorschule hat mich mit so einem Ding mit einer Nadel drauf ausgependelt. Ein Junge mit Oscars wunderschönen Augen. Seinen dichten Locken. Und seinen Händen, die so riesig und wunderschön sind.
Wenn der Geburtstermin näher rückt, werde ich mich wohl oder übel entscheiden müssen. Ich kann mir zwar kaum vorstellen, das Baby zu kriegen, ohne dass meine Mom dabei ist, aber die Vorstellung, nicht bei Oscar zu sein, ist noch viel schlimmer. Ich kriege sofort Panik, wenn ich länger darüber nachdenke.
Was nicht gerade hilfreich ist. Ein Schritt nach dem anderen.
Von Katie habe ich nichts gehört. Ich darf auf keinen Fall vergessen, ihr eine Mail zu schicken. Bisher habe ich jeden Kontakt vermieden, weil ich nicht weiß, wie ich ihr die Wahrheit beibringen soll. Es ist so schwer.
Mir knurrt der Magen. Ich muss etwas essen. Ich wünschte, ich hätte eine Scheibe von Moms Baguette. Es hilft mir immer, wenn mir flau im Magen ist.
Ramonas Brotgeheimnisse
Einfaches Weißbrot
Viele haben Angst, mit Hefe
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