Mit einer Prise Glück und Liebe
herumläuft, aber auch dort ist er nicht. Stirnrunzelnd löse ich die Schürze. »Ich sollte lieber nach ihm sehen.«
In meinen Küchenclogs schlurfe ich durch die Hintertür nach draußen und die alte Holztreppe hinunter. »Merlin!«, rufe ich, aber wahrscheinlich kennt er noch nicht einmal seinen Namen. Ich stemme die Hände in die Hüften und pfeife. Unter den Fliederbüschen gähnen tiefe Schatten, in denen ich seine Umrisse zu erkennen glaube. »Komm schon, Süßer«, locke ich leise, um die Nachbarn nicht zu wecken.
Nichts. Ein Anflug von Besorgnis macht sich in mir breit. »Hierher, Süßer. Komm schon, Merlin. Wo ist denn mein braver Junge?«
Als sich nichts tut, gehe ich ins Haus zurück und hole ein Stück Käse. Alle Hunde lieben Käse. Das behauptet zumindest meine Schwester Stephanie, die nicht mehr mit mir redet. Ich weiß es nicht, weil ich der Katzenmensch in der Familie bin.
Ich stehe im Garten und halte den Käse in die Höhe, während ich mich frage, wie, zum Teufel, der Hund wissen soll, was das ist. Aber vielleicht kennen sie diesen Geruch ja, sage ich mir und wedle damit hin und her, damit sich der Duft in der frischen Nachtluft verteilen kann. »Komm schon, mein Junge, wo bist du?«
Heftiger Aufruhr bricht im Gebüsch los, und ein Eichhörnchen kommt unter lautem Gemecker aus einem Geißblattgewächs geflitzt. Es rennt über den Rasen und klettert hastig über den einen Meter fünfzig hohen Zaun, dicht gefolgt von Merlin, der ihm mit vollem Karacho hinterherläuft. Der Hund sieht nicht nach rechts oder links, sondern ist völlig fixiert auf seine Beute. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, prescht er auf den Zaun zu und springt mühelos darüber.
»Scheiße!« Ich laufe zum Gartentor, doch die dicksohligen Clogs behindern mich. Als ich endlich auf den Kiesweg hinter dem Haus trete, ist weit und breit nichts mehr von dem Eichhörnchen und dem Hund zu sehen. Stattdessen erwartet mich nichts als tiefe Dunkelheit.
»Merlin!«, rufe ich, als würde er jetzt besser auf mich hören als vor drei Minuten.
Mein Herz hämmert. Ich muss mich entscheiden: Ich laufe nach links auf die angrenzende Straße, bleibe kurz stehen und sehe mich um, doch auch hier keine Spur von ihm, obwohl ich ziemlich weit sehen kann. Also mache ich kehrt und laufe ans andere Ende des Kieswegs, vorbei an den alten Gebäuden, dem kleinen Parkplatz, der zu einer Boutique gehört, an Mülltonnen und Garagen. Der Duft nach Flieder hängt schwer und süßlich in der Luft.
Am Ende des Wegs bleibe ich wieder stehen, aber auch hier erwartet mich nichts als leere Gehsteige, die verwaist im gelblichen Schein der Straßenlaternen daliegen. »Merlin!«, rufe ich leise. »Wo bist du denn, du dummer Hund?«
Ich kann an nichts anderes als an Katies Gesicht denken. Sie hat mir vertraut. Ich beschließe, eine Runde um den Block zu drehen. Bestimmt stöbere ich ihn irgendwo auf.
Aber ich finde ihn nicht. Ich gehe durch die Straßen und rufe seinen Namen, bis das erste Tageslicht im Osten den Horizont erhellt. Resigniert schlurfe ich nach Hause zurück, verschwitzt und mit schmerzenden Füßen von den Sprints in den Clogs. Hier und da gehen die Lichter in den Häusern an. Ein Mann mit einem Werkzeuggürtel um die Hüfte kommt die Straße entlang und geht zu seinem Laster.
Wie soll ich Katie klarmachen, dass ihr Hund verschwunden ist?
Ein anderer Mann sitzt mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf seiner Veranda. »Guten Morgen«, sagt er, als ich vorbeigehe. Seine Stimme klingt merkwürdig vertraut und lässt meine Nerven in einer Art und Weise vibrieren, die mich veranlasst, ihm einen zweiten Blick zuzuwerfen. Auch sein Gesicht kommt mir seltsam bekannt vor.
»Sie haben nicht zufällig einen Hund vorbeilaufen sehen, oder?«
»Ich bin noch nicht lange auf.« Seine Stimme ist angenehm, wohl klingend und beruhigend, wie ein Bogen, der über die Saiten eines Cellos gleitet. »Was für ein Hund ist es denn?«
»Ein Mischling. Ein Streuner. Goldfarben, unglaublich charmant und hinterhältig.«
»Ich halte die Augen offen. Wohin soll ich ihn bringen, falls er auftaucht?«
»Kennen Sie Mother Brigdet’s Boulangerie? Die Bäckerei, etwa fünf Blocks von hier?«
»Ich wohne noch nicht lange hier«, antwortet er entschuldigend. »Aber wie gesagt, ich halte die Augen offen.«
»Danke.« Ich winke ihm zu und mache mich wieder auf den Weg. Mittlerweile tanzen rosa Lichtflecke auf den Kondensstreifen am frühmorgendlichen Horizont. Sie haben
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