Mit einer Prise Glück und Liebe
wieder in meine Jeans zu passen, im September wieder wie gewohnt zur Schule zu gehen und das Ganze so schnell wie möglich zu vergessen.
FÜNFZEHN
E igentlich redeten fast nur Nancy und Poppy und diskutierten über Dinge, die keinerlei Sinn für mich ergaben; aber vielleicht lag es auch nur daran, dass ich all das nicht hören wollte. Nach einer Weile ließ ich die beiden allein. Nancy nahm meinen Platz am Küchenblock ein und knetete weiter. Ich ging ins Sonnenzimmer, das nachmittags angenehm im Schatten lag, und legte mich mit meinem Buch in die Hängematte. Ich ließ einen Fuß heraushängen, um mich am Fensterbrett abstoßen und sachte hin- und herschaukeln zu können. Nach einer Weile zog ein herrlich heimeliger Duft nach frisch gebackenem Brot herüber.
Ich konnte mich nicht auf mein Buch konzentrieren. Weit über mir flog ein Flugzeug vorbei und hinterließ lange weiße Kondensstreifen am Himmel. Ich fragte mich, wie es sein mochte, irgendwo anders hinzugehen, nach Paris vielleicht, und dort in einer Bäckerei zu arbeiten. Oder nach Indien zu reisen, wie Poppy. Die meisten Leute, die ich kannte, starben im selben Ort, in dem sie geboren und aufgewachsen waren. Lediglich eine Freundin meiner Mutter, eine Immobilienmaklerin, die sich von ihrem Mann hatte scheiden lassen und immer viel zu stark geschminkt war, unternahm regelmäßig Kreuzfahrten und kam in der Welt herum.
Paris, das klang so romantisch. In meinem Zimmer zu Hause hatte ich Poster hängen – von Paris, dem Eiffelturm, einem Baguette und einer Flasche Wein; von Venedig, das ebenfalls einen ganz besonderen Zauber zu besitzen schien; und von Irland, weil wir irischer Abstammung waren. Manchmal, wenn ich im Fernsehen einen Bericht über die Große Hungersnot sah, wurde ich ganz traurig und musste an Bridget denken, die mit diesem Starterteig in der Tasche an Bord des Dampfers gegangen war, um in ein Land am anderen Ende der Welt zu reisen. Sie sollte ihre Familie niemals wiedersehen. Ich würde gern einmal mit dem Schiff nach Irland fahren und das Land meiner Vorfahren besuchen. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, als würde es Bridget glücklich machen. Außerdem sah es dort wunderschön aus, mit all den endlosen grünen Weiden und sanften Hügeln.
Und Paris. Verträumt stieß ich mich mit dem Fuß ab und schaukelte hin und her. Das Baby war ruhig. Rhythmisch strich ich über meinen Bauch, als massierte ich ihren Rücken. Keine Ahnung, wie ich darauf kam, aber plötzlich fragte ich mich, ob sie wohl wie Armando aussehen würde. Ich wusste, dass er der Vater war, hatte aber meine Eltern und alle anderen belogen, indem ich behauptete, ein Junge, den ich nicht näher kannte, hätte mich auf einer Party geschwängert. Das mag vielleicht seltsam klingen. Meine Eltern waren jedenfalls völlig schockiert, aber ich brachte es einfach nicht über mich, ihnen die Wahrheit zu sagen.
Armando hatte im Juli bei uns angefangen, in der größten Sommerhitze. Er war sehr schlank und drahtig und zu Beginn sehr still – wie eine Katze, sagte eines der anderen Mädchen einmal. Vorsichtig, beobachtend. Er arbeitete als Tellerwäscher, was auch der Grund war, weshalb wir ins Gespräch kamen. Schließlich hatte ich als Abräumerin tagtäglich mit ihm zu tun. Er flirtete mit allen Mädchen, aber mich mochte er besonders gern. Mein rotes Haar und meine helle Haut seien wunderschön, meinte er. Er war aus Mexiko hergekommen, wohnte bei seinem Onkel und sprach nur gebrochen Englisch, was in meinen Ohren charmant klang. Er gab mir den einzigen Spitznamen meines Lebens: Zorra, was übersetzt Füchsin bedeutet. Wegen meiner flammend roten Haarfarbe.
Armando. Ich hatte noch nie jemanden mit so weißen Zähnen gesehen. Wenn er mich anlächelte, vergaß ich meine potthässliche Arbeitskleidung und fühlte mich wie ein Modell – obwohl er viel zu alt für mich war und sämtlichen weiblichen Angestellten schöne Augen machte.
Ginny, eine schmallippige Kellnerin mit schlimmen Aknenarben, die sie mit Make-up zukleisterte, fing eine Affäre mit Armando an. Eigentlich war sie viel zu alt für ihn und außerdem verheiratet, was ich schockierend fand, aber ihr Mann war Fernfahrer und behandelte sie offenbar mies. Ich war eifersüchtig und gleichzeitig ein klein wenig erleichtert. Trotzdem hinderte es mich nicht daran, abends beim Einschlafen an ihn zu denken, an seine langen, dunklen Wimpern, seine strahlend weißen Zähne und seine Hände. Ich lag im Dunkeln in meinem
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