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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gemeinsam das warme Lager im Leib ihrer Mutter geteilt hatten, verstanden sie einander. Oft ohne Worte, und beinahe immer konnten sie einander helfen. Vielleicht fand sie die richtigen Worte, die den Mischmasch seiner Gefühle zu einem schmackhaften Brei werden ließen.
    Als er den Hof betrat, vergaß er aber augenblicklich sein Ansinnen.
    »Du häss doch eene Raatsch em Kappes!«, pflaumte Lore, hochrot im Gesicht, John an.
    Der betrachtete die aufgebrachte Mohrrübe vor sich mit nachsichtiger Besonnenheit.
    »Nein, Maid Lore, das meine ich ganz ernst. Du kümmerst dich um sie, als sei sie von edler Geburt und hohem Stand.«
    »Sie is eene fuule Mähr, een frackig Saudier, een krabitzig Flappohr, een …«
    »Lore, du sprichst von Frau Alyss?«, fragte Marian, dessen Bedrückung bei dieser kunstvollen Tirade flugs verschwunden war.
    Lore flog herum, die Fäuste geballt, die Augen blitzend. Aber dann hatte sie die Frage wohl verstanden, klappte den Mund auf und wieder zu.
    John wies auf ein mageres, graues Etwas, das sich verängstigt zitternd an die Stallwand drückte.
    »Maid Lore vergaß sich ein wenig, als ich sie bat, sich um jenes hübsche Tierchen zu kümmern. Und als ich ihr in Aussicht stellte, darauf reiten zu dürfen, unterstellte sie mir einen Ratsch im Kappes. Ich frage mich, ob ich das als Kompliment an meine überwältigende Männlichkeit auffassen darf.«
    »Der iss eene Strunzbüggel!«, kreischte Lore wieder los. »Der schleppt uns dieses Messveech aufn Hof!«
    »Schnabel halten, Lore, sonst verbieg ich ihn dir.«
    Sie schoss flammende Blicke zwischen Marian, John und dem Tier hin und her, schwieg aber.
    »Eine Kerbe hast du also im Kopf, weil du diesen – Esel? – hier angeschleppt hast, John?«
    »So sieht es die Maid. Doch ist die Eselin nicht mein Geschenk, sondern wurde von Robert hier für Mistress Alyss abgeliefert.«
    Marian zog eine Augenbraue hoch.
    »Ach ja?«
    »Ja, ja.« John grinste. »Sie weiß es allerdings noch nicht, und wenn Mistress Alyss ebenso begeistert reagiert wie Maid Lore, dann wird der Abdecker sich der jennet annehmen müssen.«
    Marian trat näher an die Stallung, um das Tierchen in Augenschein zu nehmen. Es war eine ungewöhnlich kleine Eselin, abgemagert bis auf die Knochen, struppig das Fell und von bösen Striemen überzogen. Sie rollte mit den Augen und schnappte nach ihm.
    »Schon gut, Jennet, schon gut. Alyss wird dir helfen. Und dann wirst du Vertrauen fassen.« Er rief in den Stall hinein: »Peer?«
    »Euer Knecht ist zum Hafen, sonst hätte ich das Geschöpf ihm übergeben und nicht dieser garstigen shrew. Deine Schwester hat sich mit Pater Henricus verabredet, und ich hoffe, einer von beiden kehrt bald zurück. Mich hat Robert hier dem Schicksal ausgeliefert und ist selbst geflohen.«
    »Dahinter scheint eine längere Geschichte zu stecken.«
    »Von der ich auch nur das Ende kenne. Ich kam just vom Markt, um einige Ballen Tuch zu kennzeichnen, die ich verkauft habe, da zerrte Robert auf der Gasse dieses Grautier hinter sich her. Vor dem Tor drückte er mir den Strick in die Hand und befahl mir knapp, es dort anzubinden. Das sei Mistress Alyss’ Erbe.«
    Verstehen erwachte in Marian, zusammen mit einer unbotmäßigen Heiterkeit.
    »Wie mag er das geschafft haben?«
    »Ich hoffe, er wird es uns in Bälde erzählen. Aber, Marian, ich muss wieder zu meinen Geschäften. Halte die junge Maid im Zaum, und gib der jennet ein wenig Heu oder Hafer. Das wird sie gnädig stimmen.«
    John hob grüßend die Hand und ging mit langen Schritten zum Tor hinaus.
    Lore stand mit bockigem Gesicht mitten im Hof. Alles Getier hatte sich irgendwohin verzogen, um ihrem wutflammenden Ausbruch zu entgehen. Benefiz war der Erste, der sich unter dem leeren Schürreskarren hervortraute und ein ängstliches Winseln ausstieß.
    »Komm her, Benefiz. Der Sturm ist vorbei.«
    »Isser nicht. Isser gar nicht! Was soll das älendig Gesocks da?«
    »Lore, dieses Tier, das nun auf den Namen Jennet hört, hat Frau Alyss geerbt. Behandle es mit Achtung und Liebe.«
    »Nee. Das beißt.«
    »Lore, hol einen Sack Hafer aus dem Stall und eine flache Schütte.«
    »Nee. Das tritt.«
    »Lore, muss ich die Heilige Schrift zitieren wie der Allmächtige?«
    Lores Gesichtsfarbe verfärbte sich von Rot auf Bleich.
    »Nee. Ich geh ja schon. Auch wenn es mich beißt und tritt.«
    Die Eselin ließ Lore jedoch ohne Tritt und Biss passieren, und die Schütte mit dem Hafer beäugte sie zunächst mehr als

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