Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Ich sage Absender oder Absenderin, aber es sieht so aus, als hätte Mrs. Lambert keinen Zweifel daran gehegt, dass der Verfasser ein Mann war, vermutlich ein Mann, mit dem sie geschlafen hatte. Ich habe den Brief gesehen und keine Ahnung, wie sie darauf kam, aber ich gebe dir nur weiter, was sie davon hielt, und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie Recht.
Nun, die verlangte Summe war nicht übertrieben hoch, und sie konnte problemlos an das Geld herankommen. Also zahlte sie. Ihr Mann liebte sie, davon war sie überzeugt. Trotzdem konnte sie nicht wissen, wie er eine derartige Enthüllung aufnehmen würde.
Aber natürlich folgte die zweite Geldforderung auf dem Fuße. Mrs. Lambert entschied, dass die Sache so nicht weitergehen dürfe, und entschloss sich, ihrem Ehemann ungeachtet aller Konsequenzen die ganze Wahrheit über ihre Vergangenheit zu erzählen. Verwundert stellte sie fest, dass er kein bisschen schockiert reagierte – so lange verwundert, will ich sagen, bis er ihr verriet, dass er es die ganze Zeit gewusst hatte; dass er es sogar schon vor ihrer Heirat gewusst hatte. Er machte ihr weder wegen ihrer Vergangenheit noch wegen ihres Schweigens darüber Vorwürfe, und in diesem Moment begriff sie, dass die ganze Angelegenheit an ihrer Beziehung nicht das Geringste ändern würde; dass sie in der Lage waren, genauso glücklich und vertrauensvoll zusammenzuleben wie bisher.«
An dieser Stelle zog Bussy ein neumodisches, nach Äther riechendes Feuerzeug hervor, das er an seine Pfeife hielt. »Nachdem das geklärt war«, fuhr er fort, »beschlossen sie, sich an die örtliche Polizei zu wenden. Lambert musste für zwei oder drei Tage verreisen, deswegen ging seine Frau allein dorthin. Vierundzwanzig Stunden später erhielt sie mit der Post eine Schachtel Pralinen. Sie dachte, die Pralinen kämen von ihrem Mann, und aß mehrere davon, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber jemand hatte Strychnin hineingespritzt, und zwei Stunden später war Mrs. Lambert tot.«
Er verstummte und atmete tief ein. Eine Reihe metallischer Schläge, begleitet von heiserem Geschrei, das sie in seiner Wildheit an Piraten denken ließ, die sich mit Entermessern eine Seeschlacht liefern, drang an ihre Ohren. Nervös rutschte Fen auf seinem Stuhl hin und her.
»Konnte sie noch etwas sagen, bevor sie starb?«, fragte er.
Bussy schüttelte den Kopf. »Nein. Sie war allein zu Haus, und ihre Leiche wurde erst mehrere Stunden, nachdem sie starb, entdeckt.«
»Und es ist ihr nicht gelungen, eine schriftliche Nachricht zu hinterlassen?«
»Nichts.« Bussy warf Fen einen anerkennenden Blick zu. »Ich bin froh, dass du verstehst, worum es geht.« (»Das tue ich immer«, knurrte Fen.) »Falls es der Erpresser war, der ihr die vergifteten Pralinen schickte, musste er einen besonders dringenden Grund gehabt haben, sie umzubringen. Und dieser Grund kann einzig und allein gewesen sein, dass sie ihn erkannt hat. Jemand aus ihrer Vergangenheit, der in der Nachbarschaft wohnt. Also hätte sie einen Anhaltspunkt hinterlassen können, was seine Identität angeht. Nur, dass sie es nicht tat. Wenn man an Strychninvergiftung stirbt, ist man nicht mehr zu besonders viel in der Lage.«
Fen überlegte. »Wäre es möglich, dass die Pralinen gar nicht von dem Erpresser stammten?«
»Ja, das wäre möglich«, räumte Bussy zerknirscht ein. »Aber dem Stand der Ermittlungen nach zu urteilen, wäre es sehr unwahrscheinlich. Der Ehemann ist, aus vielerlei Gründen, mit denen ich dich hier nicht belästigen möchte, als Täter fast sicher auszuschließen. Und was alle anderen angeht, so haben wir nicht den Hauch eines Motivs ausfindig machen können. Die Annahme, dass der Erpresser auch der Giftmörder ist, ist völlig gerechtfertigt.«
»Du sprachst von ›jemandem aus der Nachbarschaft‹.«
»Die Erpresserbriefe wurden in Sanford Morvel aufgegeben; ebenso die Pralinen. Abgesehen davon verfügen wir über keine Indizien. Die Pralinen befanden sich in einer kleinen flachen Schachtel, die der Giftmischer in den Briefkasten werfen konnte. Dabei hinterließ er folglich keine Spuren – anders, als wenn er das Päckchen am Postschalter hätte aufgeben müssen. Der Umschlag bringt uns auch nicht weiter. Ebenso wenig die Briefe. Bis jetzt stellt sich der Fall als Aneinanderreihung von Sackgassen dar.«
»Und auf welche Weise sollte das erpresste Geld übergeben werden?«
»Ebenfalls eine Sackgasse. Wenn du möchtest, erkläre ich es dir gern …« – »Nein,
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