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Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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auch so sehen, wenn du Lambert gekannt hättest, so wie ich. Er ist nicht nur gottgläubig und angepasst, er ist fanatisch gottgläubig und angepasst. Er hat eine besonders starre Vorstellung von Ehre und Ehrlichkeit, und er strahlt eine moralische Strenge aus, die einem, das muss ich sagen, schon fast Angst macht. All das ist in Bezug auf die Ereignisse von vor zwei Wochen von Bedeutung. Weißt du, es ist nämlich so, dass Andrée ihm nichts von ihrer anrüchigen Vergangenheit erzählte, als er um ihre Hand anhielt. Ich bin der Ansicht, dass sie es besser getan hätte. Aber nach meiner Einschätzung liebte sie ihn wirklich und hatte schreckliche Angst davor, er würde sie hinauswerfen und nie wieder sehen wollen, wenn sie ihm ihr Leben auf der Straße beichtete. Also hielt sie den Mund, und nur ein Tugendbold würde ihr deswegen einen Vorwurf machen. Immerhin hatte sie in der Vergangenheit eher Pech gehabt als Fehler gemacht. Sie hatte dafür geschuftet, wieder ehrbar zu werden, und es wäre der reinste Wahnsinn gewesen, die Aussicht auf echtes Glück und Sicherheit zugunsten eines römischen Prinzips aufzugeben. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Wahrheit gesagt hätte, wenn er sie danach gefragt hätte. Hat er aber nie.
    Kurz vor Kriegsausbruch wurden sie in Sanford Morvel getraut. Weil er ein oder zwei Jahre zu alt für die Einberufung war, bekam Lambert eine Stelle als Rechtsberater im Versorgungsministerium, was sein häusliches Leben kaum beeinträchtigte. Zweifellos führten sie eine glückliche Ehe. Ich vermute, dass die Verbindung sich eher auf gegenseitige Sympathie und Vernunft gründete als auf irgendwelche tiefen Gefühle – aber wie dem auch sei und worauf immer sie sich gründete, sie war glücklich. Und bis vor drei Wochen waren die beiden ein nahezu ideales, zufriedenes Paar.«
    Fens Feldzug gegen den Aufmarsch der Insekten verlief wegen Mangels an Aufmerksamkeit im Sande. Mittlerweile hatte Fen an Bussys Erzählung großes Interesse gefunden.
    »Ich weiß schon, was nun kommt«, sagte er nachdenklich. »Erpressung.«
    »Genau. Erpressung.« Bussy untersuchte seine Pfeife, blies probehalber hindurch und begann, sie bedächtig mit Tabak aus einem Seehundfellbeutel zu stopfen. »Für sentimentales Geschwätz über Erpressung – ›das hinterhältigste aller Verbrechen‹, abgedroschenes Gewäsch in dieser Art – habe ich eigentlich nichts übrig. Wenn ein Mann ein Verbrechen begeht und nicht erwischt wird, dann frage ich mich, wieso ein anderer Mann, der ihm als Preis für sein Stillschweigen Geld abpresst, verachtungswürdiger sein sollte als ein Schurke, der eine alte Frau brutal überfällt und sie um ihre Ersparnisse bringt. Erpressung nach einem Fehltritt hingegen – einem Fehltritt zumal, für den das arme Opfer nicht einmal verantwortlich ist – ist, das gebe ich zu, einfach widerwärtig.
    Und genau das war natürlich bei Mrs. Lambert der Fall.«
    Bussy starrte nachdenklich aus dem Fenster. Dort lagen gepflegte Gemüsebeete, dahinter ein Obstgarten. Am hinteren Ende des Obstgartens stand eine Dornenhecke mit einem kleinen, verfallenen Gartentor. Hinter der Hecke und dem Tor erhob sich sanft bis zum Horizont eine Böschung aus Weideland, an deren oberem Ende drei dünne Birken einsam beieinander standen wie längst vergessene Wachtposten einer abgezogenen Armee. Es war ein friedlicher Ausblick, der jedoch Bussys Empörung nicht abzumildern, sondern noch anzuheizen schien. Mit unnötiger Gewalt presste er den Tabak in die Pfeife.
    Fen hatte eine Theorie entwickelt, nach der man eine Fliege ganz sicher erschlägt, indem man kurz über der Stelle, an der sie hockt, in die Hände klatscht, was er erfolglos versuchte.
    »Ich nehme an, die Sache nahm den üblichen Verlauf?«, fragte er. »Endgültige Forderungen, die kein Ende nahmen?«
    »Nein«, sagte Bussy gereizt. »So war es nicht. Und das macht es so besonders widerwärtig. Alles deutete auf einen ungewöhnlich glücklichen Ausgang hin, aber dann …
    Aber ich sollte nichts überstürzen. Es trug sich also Folgendes zu:
    Mrs. Lambert erhielt die übliche Art von Brief – das war vor einem knappen Monat – in dem ihr angedroht wurde, man würde ihrem Mann verraten, dass sie als Prostituierte gearbeitet hatte. Der Brief war detailliert genug (es stand darin die Adresse eines Bordells nahe der Rue de Rennes, in dem sie gewohnt hatte), um sie davon zu überzeugen, dass der Absender oder die Absenderin aus erster Hand wusste, worum es ging.

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