Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
grunzte er zustimmend, was Wolfe auszureichen schien.
»Am besten, Sie werfen einen Blick in die Dose, Sir«, sagte er. »Das erklärt die Angelegenheit schneller als jede Erläuterung von unserer Seite.«
Mit unverhohlener Neugier ging Fen ans Werk. Auf den ersten Blick schien der Inhalt der Kiste wenig ungewöhnlich – einige Briefe, und obenauf lag ein Ring. Doch als Fen den Ring näher in Augenschein nahm, schwand seine anfängliche Gelassenheit. Er war aus feinstem Gold geschmiedet und mit einem Rubin besetzt. Obwohl Fen nicht behaupten konnte, die Augen eines Juweliers zu besitzen, sah er, dass der Stein makellos, außergewöhnlich groß und ohne jeden Zweifel enorm wertvoll war. Die Goldschmiedearbeit war seiner Ansicht nach keineswegs modern; vorläufig ordnete er sie ins siebzehnte Jahrhundert ein.
Er legte den Ring beiseite und nahm die Briefe. Es gab ungefähr fünfunddreißig Stück davon, alle von unterschiedlicher Länge, und außer einem hatten alle denselben Verfasser. Das Briefpapier trug im Kopf ein Wappen und war an den Rändern vergilbt. Die Zeit hatte die schnörkelige Handschrift und die immer gleiche Unterschrift »Robert« verblassen lassen; die Datierungen reichten von August 1924 bis Mai 1926.
Als Fen die Briefe las, war er auf seltsame Weise bewegt. Es handelte sich um Liebesbriefe von anrührender Aufrichtigkeit, und sie riefen Kosenamen und Zärtlichkeiten ins Leben zurück, die viele Jahre lang dem Vergessen anheim gegeben waren. Das Gespenst dieser toten Leidenschaft weckte in Fen eine urzeitliche, bittersüße Wehmut. Für eine Weile vergaß er seine nüchterne Umgebung und durchlebte mit einer Art Mitgefühl die Emotionen eines Mannes, den er nie gekannt hatte und dem er nie begegnen würde. Nur widerwillig legte er schließlich den letzten der Briefe nieder, um sich jenem anderen Blatt Papier zuzuwenden, das in zierlicherer, ordentlicherer Handschrift abgefasst war und die Geschichte erklärte und ergänzte.
Es lautete wie folgt:
7. April 1939
Mein Liebling,
wenn du das liest, werde ich tot sein, und ich fürchte, du wirst sehr unglücklich darüber sein. Sei es bitte nicht. Dein Vater pflegte zu sagen, dass wir alle den Tod und das Sterben viel leichter nähmen, würden wir nur nicht darauf beharren, das Leben als eine schöne Sache mit unschönen Unterbrechungen zu betrachten, statt eine un schöne Sache mit glücklichen Unterbrechungen. Ich glaube, dass er Recht hatte. Ich will jedoch keine Predigt halten, und du wirst keine lesen wollen. In diesem Brief, liebste Jane, will ich dir von deinem Vater erzählen.
Du hast immer geglaubt, er sei vor deiner Geburt gestorben, aber das stimmt nicht. Ich weiß, dass er heute noch lebt, und er tut es vielleicht immer noch, wenn du diese Zeilen liest. Aber von Gesetzes wegen – es tut mir leid, wenn ich mich furchtbar ungeschickt ausdrücke – von Gesetzes wegen hast du keinen Vater. Wir waren nie miteinander verheiratet.
So, nun ist es heraus. Bitte verachte mich nicht zu sehr, mein Liebling. Irgendwie habe ich es nie übers Herz gebracht, es dir zu erzählen, und ich weiß heute, dass es mir auch nie gelingen wird. Deswegen habe ich mich für diesen Weg entschieden, obwohl er feige ist und dich vielleicht kränkt. Bitte vergib mir. Ich weiß nicht, was ich noch hinzufügen soll, außer, dass ich hoffe, du mögest eines Tages so unsagbar glücklich sein, wie ich es mit Robert war. Außer deinetwegen bereue ich nichts. Ich hinterlasse dir seine Briefe, denn vielleicht verstehst du mich, wenn du siehst, wie aufrichtig und gut er war.
Dein Vater ist der jetzige Lord Sanford. Du wirst wissen wollen, warum er mich nicht geheiratet hat und wieso er mich verließ und warum wir den Kontakt abbrechen ließen. Das ist jedoch eine lange Geschichte, liebste Jane, und eine, die man besser vergisst. Ich trage daran ebenso viel Schuld wie er, deswegen darfst du ihm keine Vorwürfe machen. Er lässt mir einen großzügigen Unterhalt zukommen. Ich hoffe, wenn du dies liest, stehst du auf eigenen Füßen und kannst ihn vergessen. Vielleicht ist es ein Fehler, dir überhaupt davon zu erzählen; ich weiß es nicht. Du könntest jedoch eines Tages zufällig dahinter kommen, und ich könnte nicht mit dem Gedanken leben, dass du mich für zu beschämt und verängstigt hältst, um dir die Wahrheit selbst zu sagen.
Außerdem möchte ich, dass du etwas für mich tust. Der beiliegende Ring ist ein Erbstück der Familie. Einst überreichte Karl I. ihn
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