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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
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halben Millimeter nach oben. Ganz eindeutig wird es kein guter Morgen für mich werden. Ich versuche, trotz meiner Verspannung das Rückgrat zu straffen, und verziehe vor lauter Schmerzen kläglich das Gesicht. »Herr Huber erwartet Sie«, erläutert mein Gegenüber knapp und wendet sich mit gewichtigem Gesichtsausdruck wieder dem Computermonitor zu. Natürlich, verstehe, immerhin ist es sieben Uhr morgens, da gibt es natürlich unheimlich wichtige Dinge zu erledigen für die Tippse vom Oberboss. Wütend drehe ich mich auf dem Absatz um und gehe auf die Tür zu, hinter der Herr Huber anscheinend darauf wartet, mir aus unerfindlichen Gründen den Kopf abzureißen. Das Herz klopft mir bis zum Hals, dennoch betrete ich nach kurzem Anklopfen beherrscht das Büro. Nichts ist schlimmer als die Ungewissheit.
    In dem großen Raum mit dem imposanten Schreibtisch, der edlen Ledersitzgarnitur und der riesigen Fensterfront stehen zwei Männer in dunklen Anzügen und sehen mir entgegen. Ein graues Augenpaar unter buschigen Brauen sieht finster drein, das hellblaue ist voller Mitleid.
    »Benjamin«, stoße ich überrascht hervor, als ich meinen Kollegen sehe. Doch eine Sekunde später habe ich mich wieder im Griff. Ich stelle das Bordcase an der Wand neben der Tür ab, die soeben leise hinter mir ins Schloss fällt und humpele auf meinen Boss zu, um ihm die Hand zu reichen.
    »Da sind Sie ja endlich«, knurrt er und lässt sich, noch während meine Hand in seiner liegt, auf seinen schwarzledernen Bürosessel fallen.
    »Guten Morgen, Herr Huber«, sage ich betont, um zu beweisen, dass wenigstens ich so etwas wie eine gute Kinderstube genossen habe. Dann werfe ich Benjamin einen verstohlenen Blick zu, der, die Hände in seiner Anzughose vergraben, zwei Meter entfernt steht und sich offensichtlich unwohl fühlt. Stecken wir in der Klemme? Ist irgendwas bei dem Projekt schiefgelaufen?
    »Frau Sonntag«, beginnt Herr Huber und wirkt plötzlich sehr erschöpft. Er stützt den Kopf schwer in die Hände und sieht mich von unten herauf an. Noch nicht einmal einen Stuhl hat er mir angeboten. »Wie konnte das passieren? Ausgerechnet Ihnen? Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht.« Er sieht jetzt gar nicht mehr wütend aus, sondern enttäuscht.
    »Ja, aber was meinen Sie denn bloß?«, frage ich ratlos und trete verlegen von einem Bein aufs andere. »Äh, darf ich mich setzen?«
    »Bitte.« Aufatmend lasse ich mich in den bequemen Sessel ihm gegenüber fallen. »Frau Sonntag, ich hielt Sie immer für eine meiner verantwortungsbewusstesten und zuverlässigsten Mitarbeiterinnen.« Tatsächlich? Was für ein erfreuliches Lob, wenn es denn nicht in der Vergangenheit formuliert wäre.
    »Und jetzt nicht mehr?« In diesem Moment holt Herr Huber eine Mappe hervor und lässt sie mit einem hörbaren Knall auf die Schreibtischoberfläche fallen. Meine Präsentation.
    »Sie haben der Vereinsbank die komplette Umstellung ihres Rechnungswesen auf internationale Rechnungslegung für diesen Festpreis angeboten, ist das richtig?« Sein Zeigefinger tippt auf eine sechsstellige Zahl, die in der untersten Zeile meines Angebots steht, zweifach unterstrichen.
    »Ja, genau«, sage ich ungeduldig. »Wo ist das Problem?«
    »Schauen Sie sich Ihre Berechnung noch mal an«, fordert er mich auf und schiebt mir die Mappe zu. Verärgert ziehe ich sie zu mir heran. Ich kenne dieses Projekt in- und auswendig, ich habe Monate lang nur dafür gelebt, was bildet diese Fatzke sich eigentlich …
    »Na?«, fragt er, und ich kann in seinem Ton fast so etwas wie Süffisanz heraushören. Ungläubig starre ich auf die Zahlen vor mir, blättere hektisch vor und zurück. Das kann nicht sein. Es kann nicht sein. »Ich nehme an, jetzt ist der Groschen gefallen.« Sprachlos sehe ich von ihm zu Benjamin, der hilflos mit den Schultern zuckt.
    »Wie konnte das passieren?«, flüstere ich entsetzt.
    »Das wüsste ich gerne von Ihnen«, versetzt mein Boss, und sein Blick durchbohrt mich. Wieder versenke ich mich in meine Präsentation. Diese Zahlen, warum ist mir das nicht aufgefallen?
    »Die Zahlen«, sage ich gequält, »es sind veraltete Zahlen. Wir haben sie für unsere ersten groben Berechnungen benutzt.«
    »Und wie kommen sie in das Angebot für den Kunden?«, fragt Huber mich lauernd. Ich habe nicht die leiseste Ahnung und schüttele nur ratlos den Kopf. Fragend sehe ich zu Benjamin hinüber, der meinem Blick ausweicht.
    »Nein, gucken Sie nicht Herrn Walsenfels an«, blafft mein

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