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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Aufschnitt kann man das allerdings schlecht machen, und wenn ich vergessen hatte, rechtzeitig ein frisches Paket Butter aufzutauen, gab es zum Frühstück Margarine. Als Rolf wieder einmal lustlos auf dem Inhalt der letzten Dose Corned beef herumkaute – Frischwurst war alle –, kam ihm der naheliegende Gedanke: »Du mußt selbst einen Wagen haben!«
    Eine Woche später stand Hannibal vor der Tür. Er war ein winziger Fiat unbestimmten Baujahres, der zwar schon einmal bessere Tage gesehen hatte, nach Ansicht meines Ernährers aber völlig ausreichen würde, den geplanten Nahverkehr zu bewältigen. Seinen hochtrabenden Namen, den ihm Sven – aus welchen Gründen auch immer – verpaßt hatte, trug er allerdings völlig zu Unrecht. Er hätte niemals auch nur den Taunus erklimmen können, geschweige denn die Alpen. Ich war froh, wenn er die kleine Anhöhe zu unserem Domizil schaffte. Andererseits war diese Gefällstrecke beim Starten notwendig, um Hannibal in Gang zu setzen. Bevor er ansprang, mußte er erst eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht haben, notfalls durch Anschieben. Aus diesem Grunde hatte ich entweder einen Beifahrer mit oder eine Handvoll Zehnpfennigstücke, um eventuell jugendliche Hilfskräfte mobilisieren zu können. Wir haben es auch mit einer neuen Batterie versucht, deren Erwerbs- und Einbaukosten in keinem Verhältnis zu Hannibals Anschaffungspreis standen, und eine Zeitlang tuckerte das Autochen dann auch brav mit 55 km Höchstgeschwindigkeit über die Straßen, aber kurz vor Weihnachten ging es an Altersschwäche zugrunde. Fortan diente es, vor einer nicht mehr benutzten Scheune abgestellt, der Dorfjugend als Spielzeug und erfreute sich großer Beliebtheit.
    Als weiteres Ärgernis erwies sich die Postzustellung.
    Bisher hatten wir immer ein Postfach gemietet, aus dem wir uns ab acht Uhr morgens unsere Briefe abholen konnten. In Heidenberg gab es aber gar kein Postamt, lediglich eine öffentliche Fernsprechzelle, die jeden dritten Tag kaputt war. Briefmarken verkaufte Frau Häberle, Geldüberweisungen erledigte – manchmal mit mehrtägiger Verzögerung – der Briefträger, und hatte man ein Päckchen zu befördern, gab man es jemandem mit, der gerade in die Stadt fuhr. Erstaunlicherweise klappte diese Methode reibungslos, und ich selbst bin oft genug mit einem halben Dutzend Pakete fremder Herkunft von zu Hause weggefahren. Nur mit der Briefzustellung haperte es. Natürlich hatten wir einen Briefträger, der auch pünktlich nach Ankunft des Postautos seine Runde begann, aber auf halber Strecke kehrte er zu einer Verschnaufpause ins Wirtshaus ein, und es war nie vorauszusehen, wie lange diese Pause dauern würde. Das kam auf das Wetter an, auf die schon vorhandenen Gäste, auf die Menge der dörflichen Neuigkeiten, die diskutiert werden mußten, und nicht zuletzt auf die Anzahl der konsumierten ›Viertele‹. Hin und wieder geschah es auch, daß der Briefträger den ›Löwen‹ nicht mehr auf seinen eigenen zwei Beinen verlassen konnte, dann trug eben seine Frau zwischen Nachmittag und Abend die restliche Post aus.
    Anfangs war ich etwas befremdet, wenn mir Herr Mögerle schon von weitem entgegenrief: »Sie habet eine Karte ausch Holland kriegt, aber da rägnet's ganz arg, und bei uns scheint d'Sonne, ha, so isches äbe!« Später gewöhnte ich mich daran und bat die Verwandtschaft, familiäre Neuigkeiten lieber in verschlossenen Briefen mitzuteilen.
    Aber natürlich hat das Landleben auch seine Vorteile. Niemanden stört es, wenn man höchst mangelhaft bekleidet und mit Lockenwicklern im Haar beim Nachbarn Eier holt. Und als Sascha in der Tombola des Schützenvereins ein lebendes Kaninchen gewann, war auch das kein Problem. Er gab es zu einem Freund in Pension, wo es kräftig half, den schon vorhandenen Karnickelbestand zu vermehren. Unsere Milch bezogen wir direkt von der Erzeugerin, Salat gab es gratis von den Nachbarn, Obst bekamen die Kinder körbeweise geschenkt, und Küchenkräuter sowie Tomaten zogen wir selber. Letztere in so großen Mengen, daß ich sie unter Wenzel-Bertas Anleitung zu Ketchup verarbeitete. Irgend etwas muß da aber falsch gelaufen sein, jedenfalls gingen die Flaschen hoch, und wir mußten eine Kellerwand neu weißeln lassen. Daraufhin kauften wir Ketchup wieder im Laden, das war billiger.
    Von der vielgepriesenen ländlichen Ruhe haben wir auch nicht allzuviel gemerkt. Natürlich gab es keinen Großstadtlärm, und während der ersten Zeit unterbrach die

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